Auswirkungen von Biosphärenreservat auf die Schafhaltung?

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Steffi
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Auswirkungen von Biosphärenreservat auf die Schafhaltung?

Beitrag von Steffi »

Hallo,
für unsere Region läuft gerade eine Machbarkeitsstudie für eine Biosphärenregion. Demnächst findet ein Bürgerforum dazu statt.
Nun bin ich gerade dabei, meinen kleinen Betrieb aufzubauen und weiß nicht so recht, was ich davon halten soll. Auf der einen Seite klingt das natürlich alles sehr nett, was die so schreiben. Auf der anderen Seite machen mich Formulierungen wie "weitestgehend ", "so wenig wie möglich" und "keine wesentlichen Nachteile" hellhörig und ich befürchte, es wird eine ganze Menge neuer, schärferer Auflagen geben, gerade im Hinblick auf (wolfsichere) Zäune, Weidehütten und Winterweide. Hier ist alles sehr kleinteilig, meine Weiden (Eigentum, keine Pachtflächen) liegen inmitten hauptsächlich konventioneller Äcker. Grünland gibt es kaum noch, so dass ein evtl. freiwilliger Flächentausch ausscheidet.

Schäfert jemand von euch in einem Biosphärenreservat und kann evtl. über Vor- und Nachteile berichten? Ich möchte gern gut vorbereitet zum Bügerforum gehen. Danke!

LG,
Steffi
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Stockmann
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Re: Auswirkungen von Biosphärenreservat auf die Schafhaltung?

Beitrag von Stockmann »

Ich lebe zwar nicht im Biosphärenreservat aber auf fußläufiger Distanz direkt am Rande eines solchen (Schorfheide-Chorin) und bin auch kein Wanderschäfer sondern halte nur Koppelschafe. Ich würde mir da nicht allzuviele Sorgen machen, jedenfalls habe ich von besonderen Einschränkungen für Schäfer und Weidetierhalter, oder auch Landwirten im Reservat noch nie etwas gehört.

Ein Biosphärenreservat ist ja kein Naturschutzgebiet - indem Menschen ja möglichst nicht sein sollten - sondern ganz im Gegenteil, in ihm soll die Kulturlandschaft bewahrt und weiterentwickelt werden. Das setzt ja zwangsläufig voraus, dass Menschen und ihre Tiere, die aus der Wildnis ja erst die Kulturlandschaft geformt haben, weiterhin im Einklang mit der Natur leben. Gerade Schafe sind ja besonders wertvolle Helfer wenn es z.B. darum geht bestimmte Landschaften vor der Verbuschung zu bewahren etc. Dass für sie dann auch winterfeste, tierschutzgerechte (und wolfssichere!!!!!!!!!!!!) Unterkünfte auch in solchen Reservaten vorhanden sein müssen, ist m.E. selbstverständlich.

Schon in der Bürgerversammlung würde ich mich bei den Initiatoren der Anhörung, und spätestens bei der künftigen Leitung des Reservates, als kooperationsbereite Wanderschäferin ins Gespräch bringen und fragen wie sie schon jetzt zum Erfolg beitragen könnten und ob und mit welcher Unterstützung, auch im Hinblick auf die Wolfsproblematik, Sie rechnen könnten?


https://www.bfn.de/themen/gebietsschutz ... ervate.htm

https://www.schorfheide-chorin-biosphaerenreservat.de/
Fleisch ist ein Stück Lebenskraft.

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Steffi
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Re: Auswirkungen von Biosphärenreservat auf die Schafhaltung?

Beitrag von Steffi »

Ich halte meine Schafis auch in Koppelhaltung. Deswegen mache ich mir ja Gedanken wegen Zäunen und Co...

LG,
Steffi
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Schafhüterin
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Re: Auswirkungen von Biosphärenreservat auf die Schafhaltung?

Beitrag von Schafhüterin »

Ich lebe hier am Rand des "Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen"

Hier ein Beweidungsprojekt mit Ziegen (im Festzaun):
http://www.pfaelzerwald.de/ziegenweide/

und Glanrind:
http://www.pfaelzerwald.de/pfaelzisches-glanrind/

Auszug:
In Regionen, in denen keine Wanderschäfer mehr existieren, wird man auf lokale Beweider zur Biotoppflege zurückgreifen. Daneben sind in dem Naturschutzgroßprojekt Maßnahmen im Bereich Streuobstwiesen, zur Revitalisierung von Trockenmauern oder die modellhafte Reaktivierung der Buckel- und Schemelwiesen vorgesehen. Öffentlichkeitsarbeit, Medien und Veranstaltungen sollen das Projekt begleiten.

Geh hin und klink dich ein, wenn du Aufbauen willst, dann sichere dir dort deinen Platz, mach dich bekannt, stell dein Vorhaben und Interesse vor... du kannst dabei nur gewinnen... gerade weil es immer weniger Schäfer gibt....ist man willkommen..
Schafhüterin


Ich arbeite für Schafe
Manfred
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Re: Auswirkungen von Biosphärenreservat auf die Schafhaltung?

Beitrag von Manfred »

Biosphärenreservate, so wie sie von den UN gedacht waren, sind eigentlich eine gute Idee.
Die deutsche Umsetzung ist halt eine Katastrophe, wie so oft, wegen der hochproblematischen Besetzung der zuständigen deutschen Kommission, in der Dogmatiker und die finanziellen Interessen diverser NGOs dominieren.
Eine Vertretung der ländlichen Bevölkerung und speziell der Bauern, zu deren Schutz und zu deren wirtschaftlichem Vorteil die UN die Biosphärenreservatsidee entwickelt haben, gibt es dort nicht.
Wenn du Glück hast, freut sich das Reservatspersonal über seine steuerfinanzierten Pöstchen und gibt Ruhe.
Wenn du Pech hast, wird dir zukünftig jeder Handgriff vorgeschrieben und dir der
Schutz deiner Tiere unmöglich gemacht. Deine Eigentumsrechte werden im Zweifel durch Nutzungsauflagen massiv eingeschränkt.
Wenn du brav mitspielst, kannst du betrieblich profitieren.
Wenn du ein freiheitsliebender Mensch bist und dich auf die Hinterbeine stellst, wird man dir mit allen wirtschaftlichen und psychologischen Mitteln zusetzen.
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Steffi
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Re: Auswirkungen von Biosphärenreservat auf die Schafhaltung?

Beitrag von Steffi »

Manfred, genau so etwas befürchte ich. Vom Bauch her begeistert mich die grundsätzliche Idee, der Kopf schlägt Alarm ob der deutschen Behördenmentalität. Mit nur 4 ha Fläche hab ich halt auch nicht viel Spielraum und erst Recht keine Lobby.

Hat noch jemand Vorschläge, was man beim Bürgerforum unbedingt erfragen/ansprechen sollte?

LG,
Steffi
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Romanov II
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Re: Auswirkungen von Biosphärenreservat auf die Schafhaltung?

Beitrag von Romanov II »

Moin Steffi,

ich würde das positiver sehen, eher wie Stockmann. Das Reservat Schorfheide Chorin vermarktet Milchprodukte unter dem Schutzgebiets"label".
Es gibt auch im Biosphärenreservat eine streng geschützte Kernzone, aber die sind 8außer im Wattenmeer) sehr klein. Hauptaugenmerk liegt wie bereits gesagt auf der Kulturlandschaft (= Landnutzung)
von der Seite des BfN (http://www.bfn.de/themen/gebietsschutz- ... rvate.html; dort auch Karte der gebiete mit Zonierung)
Biosphärenreservate sind nach § 25 Abs. 1 BNatSchG "einheitlich zu schützende und zu entwickelnde Gebiete, die

großräumig und für bestimmte Landschaftstypen charakteristisch sind,
in wesentlichen Teilen ihres Gebiets die Voraussetzungen eines Naturschutzgebiets, im Übrigen überwiegend eines Landschaftsschutzgebiets erfüllen,
vornehmlich der Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung einer durch hergebrachte vielfältige Nutzung geprägten Landschaft und der darin historisch gewachsenen Arten- und Biotopvielfalt, einschließlich Wild- und früherer Kulturformen wirtschaftlich genutzter oder nutzbarer Tier- und Pflanzenarten, dienen und
beispielhaft der Entwicklung und Erprobung von die Naturgüter besonders schonenden Wirtschaftsweisen dienen."


Im Rahmen des internationalen Programms "Der Mensch und die Biosphäre" (MAB) werden seit 1976 Biosphärenreservate von der UNESCO anerkannt. Ziel der UNESCO-Biosphärenreservate ist es, eine ausgewogene Beziehung zwischen Mensch und Biosphäre zu fördern sowie beispielhaft darzustellen (DEUTSCHES MAB-NATIONALKOMITEE 2004). Das weltweite Netz der UNESCO-Biosphärenreservate setzt sich aus 686 Gebieten in 122 Staaten zusammen, einschließlich 20 grenzüberschreitenden Gebieten (Stand: Juli 2018).

Nach den Internationalen Leitlinien für das Weltnetz haben Biosphärenreservate folgende Funktionen (UNESCO 1996):

Schutz: Beitrag zur Erhaltung von Landschaften, Ökosystemen, Arten und genetischer Vielfalt;
Entwicklung: Förderung einer wirtschaftlichen und menschlichen Entwicklung, die soziokulturell und ökologisch nachhaltig ist;
Logistische Unterstützung: Förderung von Demonstrationsprojekten, Umweltbildung und -ausbildung, Forschung und Umweltbeobachtung im Rahmen lokaler, regionaler, nationaler und weltweiter Themen des Schutzes und der nachhaltigen Entwicklung.


viel Erfolg!
Grüße von Anne

Es muss nicht immer alles Sinn machen. Oft reicht es auch, wenn es Spaß macht.
Manfred
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Re: Auswirkungen von Biosphärenreservat auf die Schafhaltung?

Beitrag von Manfred »

Eine Kernzone mit Prozessschutz (sprich Nutzungsverbot), wie in D vorgesehen, gibt es in den UNESCO-Richtlinien z.B. gar nicht.
Das ist eine Ausgeburt der deutschen Dogmatiker, die zu massiver Naturzerstörung führt (langfristiger Artenschwund durch Wegfall der nötigen Störung + Schaffung zusätzlicher Raubbauflächen im Ausland) und die ansässige Bevölkerung ganz im Gegensatz zu den UNESCO-Zielen auch noch wirtschaftlich schädigt.
Vom Rest der Fläche wird idR der Großteil als Landschaftsschutzgebiet "geschützt", was zukünftig jede Infrastrukturmaßnahme wie z.B. Straßenbau oder die Ausweisung von Baugebieten oder die Aussiedlung von Bauernhöfen faktisch unmöglich macht. Es gibt zwar die theoretische Möglichkeit, die Flächen wieder aus dem Landschaftsschutzgebiet zu nehmen, das ist aber mit hohen Hürden verbunden und selbst wenn der politische Wille vorhandne ist, wird idR von den einschlägigen NGOs jahrelang degegen geklagt.
Für die wirtschaftliche Weiterentwicklung der Region ist das ein Todesstoß. Wir haben nur Naturparkstatus (das ist eine Stufe unter Biospährenreservat) und trotzdem haben durch die seinerzeit unbedacht ausgewiesenen Landschaftsschutzgebiete hier diverse Gemeinden Probleme, weil sie nicht mal bereits ansässigen Unternehmen mehr Flächen zur Verfügung stellen können und diese dann abwandern. Auch zwei geplante Solarparks wurden dadurch kürzlich verhindert. Die Regionalpolitik hat (obwohl sogar die regionalen Grünen dafür waren, evtl. auch genau deswegen...) die Herausnahme der Flächen aus den Landschaftsschutzgebieten verweigert.
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Steffi
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Re: Auswirkungen von Biosphärenreservat auf die Schafhaltung?

Beitrag von Steffi »

Die (angeblich vorgeschriebene) Kernzone von 3% soll hier hauptsächlich (wieder so ein schwammiger Begriff) durch Staatsforst abgedeckt werden, besonders im Bereich des Wispertals, das aufgrund der geografischen Struktur ohnehin nur eingeschränkt forstwirtschaftlich nutzbar ist. In der 80%igen Pufferzone soll (!) Raum bleiben für ökologische Landwirtschaft. Aha. Und was ist mit den konventionell wirtschaftenden, überwiegend Nebenerwerbs- Landwirten? Ich hab mich bisher gescheut, meinen Kleinstbetrieb auf Bio umzustellen, weil auch die Kosten für Kontrollen, evtl. Verbandsmitgliedschaft, etc. erstmal erwirtschaftet werden wollen. Neben dem, was ohnehin für BG, Versicherungen, Herdbuchgedöns usw. anfällt. Die reden da von einem riesigen Gebiet von Rheingau-Taunus, Rhein-Main und Wiesbaden https://www.naturpark-rhein-taunus.de/d ... -klein.pdf

LG,
Steffi
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Manfred
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Re: Auswirkungen von Biosphärenreservat auf die Schafhaltung?

Beitrag von Manfred »

Rechne die % einfach mal in Hektar um und staune. (Und das sind nur die Mindestwerte. Meist wird als "Sicherheitspuffer" noch deutlich mehr unter "Schutz" gestellt.)
In der Regel gehen alleine durch die Kernzone in der Region mehr (wirtschafltiche) Stellen in der Holz-Wertschöpfungskette verloren als in der Verwaltung (steuerfinanziert) und evtl. im Tourismus neu geschaffen werden.
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