"Rettet die letzten Schäfer/innen Deutschlands"

Manfred
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Re: "Rettet die letzten Schäfer/innen Deutschlands"

Beitrag von Manfred »

Zum Nachrechnen:

Lidl hat ca. 3.200 Filialen in D.
Wenn die mal eben für eine kleine Wochenend-Sonderaktion "Deutsches Lamm" zu Ostern jede 100 kg edle Teilstücke haben wollen, sind das 320 Tonnen Fleisch.

Wenn ich diese Zahlen anschaue:
http://www.tll.de/www/daten/tierprodukt ... mm0812.pdf

17,4 kg Schlachtgewicht und 42,7% Ausschlachtung
(und das sind schon Fleischrassen und keine Landschafe...)

Keule 1/3 des Schlachtgewichtes.
Rücken und Bug je 1/7 des Schlachtgewichtes.

Nehmen wir an, Lidl kauft alle Keulen und Rücken. Macht zusammen ca. 48% des Schlachtgewichtes.
320 Tonnen / 42,7% / 17,4 kg sind ca. 43.000 Fleischrasse-Lämmer.

Die Menge wäre in D sicher da. Aber war kann die termingerecht erfassen, schlachten, zerlegen, verpacken und ausliefern?
Und was macht dieser Betrieb den Rest des Jahres?

Die Erzeugergemeinschaft Bayerischer Schafhalter mit 2100 Mitgliedern vermarktet nach eigenen Angaben ca. 50.000 Lämmer im ganzen Jahr.
Diese Menge liefert in Neuseeland wenn es drauf ankommt eine der großen Sheep-Stations alleine. Und zwar Termingerecht zum Oster-Export.
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Insane
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Re: "Rettet die letzten Schäfer/innen Deutschlands"

Beitrag von Insane »

@Manfred:

Ja, sicher nicht einfach, aber als gerade zu Ostern und in der aktuellen politischen Situation beworbene Spezialität wäre es sehr wünschenswert gewesen - wenn auch nur des "Zeichens" wegen.
Und das noch bessere Zeichen wäre gewesen, auch die nicht so edlen Teile zu promoten.

Aber vermutlich alles Wunschdenken und in Deutschland schon aufgrund von "Geiz ist geil" nicht umsetzbar.

Mit der Betrieb meinst du den Schafzucht-Betrieb? Oder den Schlachter/Zerleger?
Das ist kein Heu in meinen Haaren - das ist Schäferglitzer :?:
Manfred
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Re: "Rettet die letzten Schäfer/innen Deutschlands"

Beitrag von Manfred »

Natürlich wäre es wünschenswert, wenn der Handel heimische Produkte besser vermarkten würde.
Das Ziel so eines großen Handelsunternehmens ist aber recht eindimensional: Gewinn.
Der wird durch Produkte generiert, die sowohl einen hohen Umsatz als auch eine hohe Handelsmarge bringen.
Deshalb wird jedes Produkt genauestens auf seine Wirtschaftlichkeit durchleuchtet. Findet sich ein anderes Produkt, das mehr Gewinn bringt, fliegt es aus dem Regal.
Gewisse Ausnahmen gibt es im Versorgungs-Grundsortiment, das man bieten muss, damit die Leute in den Laden kommen und mögl. nicht vor- oder Nachher zur Konkurrenz gehen, und für Lockprodukte, die Kunden in den Landen bringen, die dort dann zu weiteren, gewinnbringenden Käufen animiert werden können.

Edeka und Rewe sind in ihrem Sortiment deutlich flexibler als die Discounter, weil in ihrem System mehr Regionalität und damit auch kleine Mengen möglich sind. Und sie nutzen das Regionalsortiment für teils sehr hohe Margen. Siehe z.B. "regionales" Gemüse bei Rewe. Da kosten die regionalen Tomanten gerne das doppelte oder dreifache gegenüber der Discountware nebenan. Und von diesem Mehrpreis bleibt der Löwenanteil beim Handel (wobei natürlich davon ein Teil wieder für den Logistik-Aufwand mit dem Kleinkram drauf geht).
Einfache Partner sind Edeka und Rewe trotzdem nicht. Sie nehmen gerne Lockangebote regionaler Anbieter ins Sortiment, zu anfangs guten Konditionen, drehen dann aber dem Hörensagen nach die Daumenschrauen an, wenn sie merken, dass das Produkt läuft und der Lieferant von ihnen abhängig ist. Dann wollen sie mehr Marge haben.

Ideal für unseren kleiner Erzeugerstrukturen ist aus Erzeugersicht ist m.E. eine Organisation wie bei der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall.
Da liegt die Erzeugung inkl. Schlachtung in den Händen der bäuerlichen Organisation. Es werden auch einige Verkaufsstellen direkt betrieben.
Und der Rest der Menge geht bevorzugt ans Lebensmittelhandwerk und den "örtlichen" Handel, aber mit einer mögl. breiten Streuung.
So kann man Menge Bündeln und so die Kosten senken, nimmt die Verarbeitungs- und einen Teil der Handlsmarge mit und ist nicht von einzelnen Abnehmern abhängig. Vor dem, was die auf die Beine gestellt haben, habe ich höchste Achtung.
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Henry
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Re: "Rettet die letzten Schäfer/innen Deutschlands"

Beitrag von Henry »

Ein Problem sind unsere überbordenden Veterinärauflagen. Ein grob zerlegtes Reh darf ich jederzeit in Verkehr bringen, obwohl ich das grade mal 2 Minuten lebend beschaut und dann auf der Wiese erlegt und aus dem Unterholz gezerrt hab. Dann habe ich das sogar ganz legal im Wald ausgeweidet und später erst daheim abgezogen.

Bei einem Lamm sieht das ganz anders aus, obwohl das nicht ganz anders aussieht ...

In UK gibt es in jedem Dorf Lammfleisch und sogar rohe Würste verarbeitet auf kleinsten Farmen und die Briten überleben das.

EDEKA darf lokale Angebote ins Sortiment aufnehmen. Bei Honig klappt das auch bei überschaubaren Liefermengen wirklich gut. Gibts halt nur in den Filialen, die der Imker zu beliefern schafft. Bei Fleisch ist das undenkbar. Nicht für mich - fürs Amt.
Henry
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Re: "Rettet die letzten Schäfer/innen Deutschlands"

Beitrag von Steffi »

Vor einiger Zeit gab´s mal einen Bericht, was sich hinter dem "regional" von Rewe und Co. so verbirgt. "Regional" ist reine Auslegungssache und kann durchaus "Deutschland" bedeuten. Also keineswegs "aus der Nachbarschaft"...

LG,
Steffi
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Re: "Rettet die letzten Schäfer/innen Deutschlands"

Beitrag von Niedersachse »

Also bei uns in der Nähe gibt es Edeka Märkte die von Geflügelhändler bei mir aus der Nachbarschaft beliefert werden und da soll man auch mit Lamm rein kommen, gibs keine Probleme.

LG
Manfred
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Re: "Rettet die letzten Schäfer/innen Deutschlands"

Beitrag von Manfred »

Man muss halt sämtliche EU-Auflagen nach deutscher Auslegung + das, was D noch draufgesattelt hat einhalten.
Diese Kosten zwingen zu Menge.
Und dann kommt es wohl noch darauf an, welche Verträge die örtlichen Edeka-Händler laufen haben.
Wenn z.B. der Vertag mit dem Betreiber der integrierten Metzgereifiliale vorsieht, dass ansonsten im Laden kein Frischfleisch verkauft werden darf, wird man schlechte Chancen haben.
Unser Edeka hat z.B. Eier, Dosenwurst und Käse von regionalen Erzeugern in den Regalen.
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Re: "Rettet die letzten Schäfer/innen Deutschlands"

Beitrag von Babs »

Hier noch mal das Interview mit Sven de Vries in der SZ:
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/r ... -1.3918577

Und hier die Sendung "Kontrovers" des BR vom 28.03.2018:
https://www.br.de/mediathek/video/kontr ... 001880cbb1
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Re: "Rettet die letzten Schäfer/innen Deutschlands"

Beitrag von LuckyLucy »

Steffi hat geschrieben:Vor einiger Zeit gab´s mal einen Bericht, was sich hinter dem "regional" von Rewe und Co. so verbirgt. "Regional" ist reine Auslegungssache und kann durchaus "Deutschland" bedeuten. Also keineswegs "aus der Nachbarschaft"...

LG,
Steffi
Was ich bei Molkereiprodukten als Blödsinn empfinde. Bei Lamm könnte man zumindest die Herkunft als deutsch herausstellen, wobei ich nicht glauben kann, dass es z.B. bayerische Lammfleisch bis in den Norden schafft oder umgekehrt.
LuckyLucy, schaffiebrig
Manfred
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Re: "Rettet die letzten Schäfer/innen Deutschlands"

Beitrag von Manfred »

Ein kurzer Videobericht auf der Facebookseite des Bayerischen Rundfunks
mit Schäfer Herrmann Stadler:
https://www.facebook.com/BR24/videos/10156034237025336
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