Kastrationsmethoden

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Henry
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Kastrationsmethoden

Beitrag von Henry »

Eine Bitte um Sammlung.

Bei Schaf- und Ziegenbock kennen wir mehrere Methoden, die Fortpflanzungsmöglichkeit zu nehmen. Unsere Sicht jedoch verengt sich oft auf wenige, übliche Verfahren, mit dem Ergebnis, daß Kontrollinstanzen auch nur diese wenigen Verfahren als "zulässig" ansehen. Oft werden auch unter einem Verfahren mehrere Vorgehensweisen mit den selben Werkzeugen oder die selbe Vorgehensweise mit unterschiedlich (benannten) Werkzeugen angegeben. Ich möchten nun hier einmal abfragen, welche Kastrationsverfahren Ihr kennt und wie sie konkret durchgeführt werden.

Als Beispielsgabe werde ich mit der Burdizzo-Kastration mit einmaliger Samenstrangklemmung beginnen:

Burdizzo-Kastration (auch Klupen genannt):
Nach reichlicher Sprühdesinfektion oder Begießen mit Desinfektionsmittel (auch der Rückseite)
(und nach in die Samenstränge injizierter Lokalanästhesie und Wirkeintritt)
wird der Hoden am sitzenden Bock nach körperfern (distal) gezogen und der Samenstrang nach außen (lateral) im Hodensack massiert, bis er straff gespannt mit der Haut bzw. den Geweben des Scrotums bedeckt ist. Der Strang wird mit den Fingern am Zurückgleiten gehindert und zwischen die Klemmbacken der Burdizzozange geführt. Dabei bleibt die Warze (Scheinzitze) körpernah und der Hodenkopf körperfern soweit wie möglich außerhalb der Zange. Die Zange greift zur Mitte hin nur soweit, daß der Strang sicher erfaßt wird. Mit kräftigem zügigen Druck wird die Zange geschlossen, wobei der Samenstrang durch kräftigen Fingerdruck am Zurückgleiten oder Herausgleiten gehindert werden muß. Eine akute Schmerzreaktion mit Schreien und Austreten ist (auch nach Lokalanästhesie) zu erwarten. Die Zange bleibt 3 Minuten geschlossen. Danach erfolgt der Vorgang auf der anderen Seite. Die Quetschmarken werden zur Desinfektion (und auch zur Kennzeichnung) mit OTC-Blauspray abgedeckt und das Tier entlassen. Akut und über die nächsten 2 Tage sind Schmerzanzeichen, Unwohlsein, verminderte Futteraufnahme, gestörtes Sozialverhalten zu erwarten. (Die Gabe von Schmerzmitteln sollte diesen Zeitraum abdecken, wird aber nicht für nötig erachtet.)

Durch das Spannen der Gewebe über dem Samenstrang, wird die äußerliche Quetschwunde sehr klein gehalten. Durch die lange Quetschdauer ist die Verklebung der zerstörten Gewebe im Innern des Hodensacks sehr sicher und dauerhaft und das Nervengewebe nicht mehr reizleitend. Die heilende Versorgung der oberflächlichen Wunde erfolgt von allen Seiten in aller Regel komplikationslos, selbst wenn der Hodensack punktuell eröffnet wurde, was an den Enden der Zangenbacken vorkommen kann. Auf eine Nachkontrolle kann verzichtet werden. Die Böcke sind sofort infertil. In den "KLemmzeiten" sind Klauenpflege und Drechen oder Impfungen möglich. Ein Helfer, der das Tier sicher hält ist sehr hilfreich. (Geflohene Böcke verlieren die geschlossene Burdizzozange nicht und reißen sich in ihrer Panik verheerende Verletzungen damit.) Im Falle von Infektionen (die extrem selten sind) ist zu beachten, daß eine direkte Verbindung zur Bauchhöhle durch den Samenstrang gegeben ist und jedes Zuwarten zu Samenstrangfistel, Peritonitis und Tod des Tieres führen wird, wenn nicht zügig behandelt wird. Anzeichen dafür sind starke meist einseitige Schwellung.

Da die Hoden im Bock verbleiben ist die Burdizzokastration nicht geeignet bei großen alten Böcken mit großen Hoden. Sie ist ferner nicht geeignet, wenn durch den gegebenen Abstand der Klemmbacken eine ausreichende Pressung der Samenstränge nicht erreicht werden kann, weil die Samenstränge (noch) zu dünn sind. Optimal funktioniert sie bei etwa kleinfingerdicken Strängen bzw. etwa pflaumengroßen Hoden.
Henry
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Re: Kastrationsmethoden

Beitrag von Schnuckenlady »

Da heute mittag unser eines böckchen kastriert wurde, kann ich dazu was sagen.
Er wurde auch mit der Burdizzo zange kastriert.
Allerdings wurde (auch natürlich nach betäubung) jeder hoden zweimal geklemmt, jeweils für 1 Minute. Im Abstand von ca 1cm. Meine Tierärztin meinte, das wäre sicherer als nur einmal.
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Re: Kastrationsmethoden

Beitrag von sharido »

Wie alt war das Böckchen? Bzw. wie alt sind die Jungs im Durchschnitt, wenn ihr kastriert?
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Re: Kastrationsmethoden

Beitrag von Schnuckenlady »

Mein Böckchen ist genau am Ostersonntag geboren. Also ungefähr gute 10 Wochen ist er alt gewesen gestern.
Ich glaube zu jung dürfen sie auch nicht sein.
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Re: Kastrationsmethoden

Beitrag von Fröschchen »

Ich habe auch noch einen Kandidaten (geb. 27.05.2017), warte täglich auf Terminabsprache.
Da ICH's (noch) nicht selbst kann und hier vor Ort nicht auswählen kann, wird Burdizzo-Zange angewandt werden.

(@ Henry: :engel1: Kannste bitte auch 'mal was zu von der Dir preferierten Gummiring-Methode äußern? Könnte interessieren, weil: wie häufig/ oft kommt's beim Kleingruppenhalter insgesamt vor? So wegen vergleichender Erkenntnis. Und: Wer weiß im Voraus schon von den Unterschieden)

LG
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Re: Kastrationsmethoden

Beitrag von Henry »

Die Gummiringmethode ist leider inzwischen explizit verboten.

Sie ging recht schnell und einfach. Auf eine Spreizzange wurde ein Kastrationsring knapp aufgesteckt und gespreizt. Die Zange wird mit den Spreizern vom Schaf wegweisend an die Skrotumspitze geführt. Das Skrotum wird durch den Ring gezogen und die Hoden folgen freiwillig oder werden einzeln nacheinander durch den Ring massiert. Dabei wird an der Spitze des Skrotums erneut zu ziehen sein. Sind beide Hoden vollständig und sicher distal des Rings, wird die Zange entlastet und der Ring ohne Einklemmung von Wolle oder anderer als der gewünschten Gewebe abgesetzt. Die Scheinzitzen bleiben körperseits und die Ringzange kann zum Körper hin aus dem Ring gezogen werden. (Wurde die Zange verkehrtherum angesetzt, müßte sie gegen die jetzt straff anliegenden Hoden gedrückt oder der Ring abgerollt werden. Geht aber schmerzt) Das Abrollen des Rings verlangt etwa 1cm. Der muß bei der Positionierung bedacht werden.

Kastriert werden können alle Böcke, deren Hoden noch einzeln durch den Ring passen. Bei schweren Verletzungen oder Blutungen an Hoden oder Sack oder Infektionen im Sack ist der Gummiring lebensrettend.

Die Methode ist sofort wirksam und sicher. Wird sofort nach dem Absetzen des Ringes ein Lokalanästhetikum mit einer Revolverspritze in beide Stränge injiziert - ein Einstich bis in den zweiten, Injektion beim Zurückziehen der Kanüle - verbleibt es lange distal des Rings und wird nicht verstoffwechselt. Die Böckchen zeigen oft keinerlei Schmerzanzeichen. Auch im Prozeß der Heilung nicht. Infektionen kenne ich nur von einem Fall, bei dem ein zu junger Bock einer sehr kleinen Rasse kastriert werden sollte. Da der Ring nicht ganz schließen kann, muß soviel Gewebe im Ring eingklemmt sein, daß die Klemmung sicher jegliche Blutzufuhr unterbindet. Ist das nicht der Fall, wird es Quälerei und es kann eine Blutfalle entstehen, wenn der Körperblutdruck den Ring überwinden, der passive Druck das Blut aus Sack und Hoden jedoch nicht zurückdrücken kann. Man kann kleine Rassen oder zu junge Böcke größerer also nicht damit kastrieren. Es geht nicht um reinwachsen in den Ring. Sack und Hoden schwellen ab Setzen des Ringes ab und nie an! Sie gehören dann nicht mehr zum Schaf und sind totes Gewebe. Folglich wäre ein Entfernen des Rings fatal.

Binnen 10 bis 21 Tage werden Hoden und Skrotum lederig und fallen schließlich ab. Es bleibt eine nabelartige Narbe übrig, anhand derer man später immer auf die verbotene Methode wird schließen können.

Es gibt Diskussionen darüber, ob eine "Kastration mit elastischen Ringen" dem Tierarzt und mit Betäubung erlaubt sei. Der Gesetzestext schließt es generell aus.
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Re: Kastrationsmethoden

Beitrag von LuckyLucy »

AFAIK ist die Gummiring-Kastration anderenorts in der EU noch erlaubt...
LuckyLucy, schaffiebrig
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Henry
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Re: Kastrationsmethoden

Beitrag von Henry »

Es dürfte sehr aufwendig sein, die Böcken erst zu exportieren und dann zurückzuholen. Beim Brutei geht das leichter.
Henry
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Re: Kastrationsmethoden

Beitrag von Fröschchen »

Henry hat geschrieben:Die Gummiringmethode ist leider inzwischen explizit verboten.

Sie ging recht schnell und einfach...

Die Methode ist sofort wirksam und sicher. Wird sofort nach dem Absetzen des Ringes ein Lokalanästhetikum mit einer Revolverspritze in beide Stränge injiziert - ein Einstich bis in den zweiten, Injektion beim Zurückziehen der Kanüle - verbleibt es lange distal des Rings und wird nicht verstoffwechselt. Die Böckchen zeigen oft keinerlei Schmerzanzeichen. Auch im Prozeß der Heilung nicht.

Klingt gut!

Binnen 10 bis 21 Tage werden Hoden und Skrotum lederig bei den Schwänzchen der Eve-Lämmer ist's doch ebenso, irgendwannnach 10 Tagen findet man die Reste per Zufall( und Suchen) und fallen schließlich ab. Es bleibt eine nabelartige Narbe übrig, anhand derer man später immer auf die verbotene Methode wird schließen können Wer tut das wissen wollen?

Es gibt Diskussionen darüber, ob eine "Kastration mit elastischen Ringen" dem Tierarzt und mit Betäubung erlaubt sei. Der Gesetzestext schließt es generell aus.
Und nu??
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Re: Kastrationsmethoden

Beitrag von Henry »

Fröschchen hat geschrieben:Und nu??
... darf man die Methode nicht mehr anwenden und hinterließe eindeutige Spuren. :wink:
Henry
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