Tierarzt-Bullshit

(Dieses Forum ersetzt nicht die Diagnose oder Behandlung durch einen Tierarzt.)
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Steffi
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Re: Tierarzt-Bullshit

Beitrag von Steffi »

Henry hat geschrieben:Der TA wird vom ahnungslosen Tierhalter zu spät und/oder nach verschleppenden Maßnahmen gerufen
Das kennen bestimmt auch viele Tierärzte. Da wird so lange vom Tierhalter am Tier rumgedoktort, und erst wenn gar nichts mehr geht und das Tier schon halbtot ist, der TA gerufen, der dann manchmal auch nicht mehr viel ausrichten kann. Ist für den TA bestimmt auch nicht schön, vor allem, wenn er hätte helfen können, wäre er rechtzeitig gerufen worden, und der TH hat am falschen Ende gespart.

Dass ich dem TA Infos liefere über Verhaltensänderungen, Futteraufnahme/-verweigerung, etc., auch die Temperatur ggf. mehrfalls gemessen habe, ist für mich eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Mein TA meint auch Ahnung von Schafen zu haben. Nur kommt meist nicht er zu Notfällen (gibt es bei Schafen auch planbare Krankheiten???), sondern einer seiner unzähligen Mitarbeiter. Und wenn bei einem plötzlich festliegenden Schaf mit schneeweißen Schleimhäuten, aber regelmäßig und relativ frisch entwurmt, fröhlich fressend, dann "Würmer" oder "irgendwas mit dem Pansen" diagnostiziert und behandelt wird, ohne Kotprobe oder sonstige weitere Untersuchungen, mein Verdacht auf innere Blutungen bzw. Trauma durch Kampf mit einem Zweitschaf abgetan wird und trotzdem weiterhin solange an Symptomen herumbehandelt wird, bis alles zu spät ist, dann ist mein Vertrauen zu den TÄ durchaus angeknackst.

LG,
Steffi
Sheep happens
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Henry
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Re: Tierarzt-Bullshit

Beitrag von Henry »

grauwoller hat geschrieben:Wenn wir also nicht irgendwann ganz ohne Schaf-TÄ dastehen wollen, müssen wir denjenigen die da sind, kooperativ und positiv entgegentreten. Wenn sich herausstellt dass es Looser sind, dann hat´s natürlich keinen Sinn,
Wie oft? Wieviel Schafe? Wieviel Chancen? Würdest Du einen TA holen, wenn Du sicher bist, daß Dus besser kannst? Würdest Du lieber ihn bezahlen, wenn Dus nur ebensogut kannst? Würdest Du lieber selber alles zum Schaf studieren oder auf fremdes Wissen vertrauen und angewiesen sein?

Angenommen, ein Studium der Veterinärmedizin von 6 Jahren (Regel 11 Semester https://www.leipzig-studieren.de/filead ... 2.2016.pdf) würde sich allen Themen des weiten Aufgabenfeldes gleichmäßig intensiv widmen und Du zögest all die Positionen ab, die nichts mit Schafen zu tun haben, wieviel bliebe da noch? Schweine, Rinder, Pferde, Kleintiere, Exoten, Fische, Zootiere, ...
Was interessiert Dich mit Deinem kranken Schaf, das Standesrecht und die Fleischhygiene, der Bereich Geflügelkrankheiten und eine 75h-Erfahrung in der öffentlichen Verwaltung, was hilft Dir ein vielleicht phantastisches Prüfungsergebnis Deines TA in Lebensmittel- oder Milchkunde? Sieh' Dir an, welche Tiere die Ausbildungsstätten für den TÄe-Nachwuchs in welcher Wichtung tatsächlich halten! Jeder Kleinhalter betreut heute wohl mehr Schafe als manche Uni (Hannover mal außen vor). Sie sterben aus, die Fakultätsschafe. Leipzig hat noch eine Handvoll. Es ist also ganz normal und nicht mit einem Studium anderer Tierarten und Themengebiete zu begründen, daß Schäfer sehr oft mehr über Schafe wissen als Tierärzte. Das muß heute so sein. Und das ist traurig und als Teufelskreis nicht zu durchbrechen.

Ganz sicher ist es jedenfalls ungewöhnlich, wenn TÄe mehr wissen als Schäfer. (Es sei denn sie sind welche)
Henry
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Re: Tierarzt-Bullshit

Beitrag von grauwoller »

das mag ja wohl sein,dass imTA-Studium das Schaf nur am Rande vorkommt, aber nach dem studium geht das Lernen ja weiter - sollte es zumindest.
Man erinnere sich an seinen eigenen beruflichen Werdegang, da war doch wohl auch nicht nach dem Studium oder der Ausbildung der perfekte Fachmann, die perfekte Fachfrau am Start .....
Oder ist es etwa doch vergleichbar mit den vielen Bundestrainern, die in der Kneipe an der Theke zu finden sind? Sind die besten Tierärzte vielleicht im Schafforum zu finden???

wer weiss, Christoph
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Re: Tierarzt-Bullshit

Beitrag von schafbauer »

grauwoller hat geschrieben:das mag ja wohl sein,dass imTA-Studium das Schaf nur am Rande vorkommt,

ich muss mich hier noch einmal einschalten. :wink:

ja kommt am rande vor. muss aber nicht. ich hatte in meinen letzten jahren sehr viel kontakt mit diversen TA die ebenfalls betonten dass man sehr viel über schafe auf der uni lernen DARF. man muss nur wollen. es haben sich deshalb auch nur sehr wenige Schaf TA herausgelöst, diese sind aber wirklich top und halten fast nur vorträge in halb europa.

wie ich mit den schafen angefangen habe, habe ich für diverse kleinigkeiten wie entwurmung, euterentzündung und co einfach nur meinen Rinder TA ran lassen. immerhin hatte ich viel von ihm gehalten und auch vertraut. es waren in dieser zeit auch fast keine anderen TA zu haben die überhaupt interesse bekunden oder andere kamen einfach nicht weil zu weit weg oder nicht ihr gebiet(sschutz).
tja. nach ein paar jahren wirklich 99% erfolglosen behandlungen und mitteln die nicht mir was brachten sondern dem TA (selbst aborte wurden ignoriert aufgrund falscher mittelwahl) kam die aussage: "na wenn des so weitergeht und noch mehr schafe werden in der region muss ich doch noch mal auf die Uni ein paar kurse belegen. das war dann doch zu wenig" und mir zu viel.

war nicht so schlimm für mich da nur ein kleiner schafbestand vorhanden war. ein paar jahre später vervierfachte ich meine schafe u die probleme wurden verdoppelt. danach begann die suche nach einem guten TA - es waren sicher 7-8 TA Schaferfahrene TA. aber schaferfahren heisst nicht zwangsweise wissend.

nach langer suche habe ich jetzt meinen TA und hat mir im 1. jahr knapp 3000euro hereingespielt. nachteil: mittlerweile ist er - mM - überlastet. :roll:
"Nur was man gerne macht, macht man auch gut." :schaf2:
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Henry
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Re: Tierarzt-Bullshit

Beitrag von Henry »

grauwoller hat geschrieben:Sind die besten Tierärzte vielleicht im Schafforum zu finden???
Nein, die besten Schaftierärzte in Deutschland sind so überlastet, ständig auf Achse und haben so viel zu tun, daß sie keine Zeit haben hier Fragen zu beantworten. (Inzwischen halten Schafhalter ihren Tierarzt sogar geheim, wenn sie zufrieden sind, weil der sonst noch weniger Zeit hat.) Und die besten Schaftierärzte in Europa sitzen zweifellos in UK und sind zwar nicht per Forum, aber eben per Internet erreichbar.

Leider aber eben weder nachts halb zwei noch machen sie Hausbesuche in Deutschland. Da ist jedenfalls Hilfe aus dem Forum nicht wesentlich schlechter, oder? Und nachgefragt wird sie, weil es an TÄen mit Schaferfahrung fehlt, ja regelrecht mangelt :traurig: - außer eben bei Dir. :roll:
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Re: Tierarzt-Bullshit

Beitrag von Annegret »

Hi,

von meinem heutigen Schafwissen stammen etwa 10 % aus dem Studium. Für den Rest haben meine Schafe als Versuchstiere herhalten müssen.
Mein Vorteil, ich komme einfacher an Fachinformationen heran und kann mir jedes benötigte Medikament besorgen.

Im Studium laufen die kleinen Widerkäuer unter "ferner liefen". Mir waren die dazugehörigen Vorlesungen so lästig, wie die über Hühner. Schließlich wolle ich immer Kleintiere behandeln. Inzwischen habe ich Hühner gehalten und halte noch Schafe. So kann es gehen.

Warum es wenig guten Schaftierärzte gibt, ist schnell erklärt. Das Wissen und die Zeit/Mühe die man braucht um sich dieses anzueignen, ist dieselbe, die man für häufigere Tierarten braucht. Alleine die Bezahlung dafür ist schlechter. Ich weiß nicht, wieviel Schafbestände eine Praxis benötigt, um davon leben zu können. In den meisten Gegenden ist die Bestandsdichte sicher nicht so groß, dass damit die Praxis- und Lebenshaltungskosten gedeckt werden können.

Auch Tierärzte bekommen die Brötchen beim Bäcker nicht billiger, weil sie die Tiere, in diesem Fall Schafe, liebhaben.

Gruß

Annegret
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Re: Tierarzt-Bullshit

Beitrag von schafbauer »

Annegret hat geschrieben: Alleine die Bezahlung dafür ist schlechter. I

schlechter bezahlt wirds sicher nicht gegen andere nutztiere aber

1. sind schafe sicher robuster und weniger anfällig als andere nutztiere und

2. ist arschgreifen bei der kuh :bet: oder antibiotikaverkauf bei hühnern schneller, umkomplizierter, führt meist zum resultat und bringt schneller fixes geld in die kasse. auch hat man dort weniger stress mit tierliebhabern und amateueren. :ruebe:
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Steffi
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Re: Tierarzt-Bullshit

Beitrag von Steffi »

Mit dem geliebten Kuscheltier (Hund, Katze, Maus) kann ein TA gutes Geld verdienen, da läßt sich der Tierhalter die Gesundheit etwas kosten. Und man hat eine Praxis, die Leute kommen zu einem, man hat halbwegs geregelte Öffnungszeiten. Als Großtierarzt muß man bei Wind und Wetter raus, es ist harte, anstrengende und schmutzige Arbeit, die nicht wirklich üppig entlohnt wird. Ein Rind ist noch etwas wert, aber eines von Dreihundert anderen Schafen? Was kann so ein Schaf schon groß bekommen, was der Schäfer nicht selbst behandeln kann? Würmer (Wurmkur), Pansen (Schnaps), Klauen (Messer, Blauspray), Euter (Quark)... Im Zweifel geht´s zum Schlachter.
Da die großen, wirtschaftlichen Herden langsam aussterben und Schafe vermehrt in Kleinstherden aus Liebhaberei max. im Nebenerwerb gehalten werden, wird evtl. auch bei den TÄ ein Umdenken einsetzen, wenn sie sehen, daß in solchen Kleinbeständen die Behandlung nicht zwingend vom wirtschaftlichen Wert des Schlachtkörpers begrenzt wird.
Ich für meinen Teil packe ein richtig krankes Tier ins Auto und bringe es zur nächsten Uni-Klinik. Kostet verblüffend wenig und man hat ein ganzes Team an Leuten dort und nicht nur einen TA, der meint, die Weißheit mit Löffeln gefuttert zu haben.

LG,
Steffi
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Henry
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Re: Tierarzt-Bullshit

Beitrag von Henry »

Annegret hat geschrieben:von meinem heutigen Schafwissen stammen etwa 10 % aus dem Studium. Für den Rest haben meine Schafe als Versuchstiere herhalten müssent
Danke, für das ehrliche Statement. Leider müssen für den Rest bei andern TÄen Patientenbesitzer-Schafe als Versuchstiere herhalten.

Was können wir Schafhalter tatsächlich tun, den Mißstand zu bekämpfen? Die eigene "Aufrüstung" ist weder wirtschaftlich sinnvoll, noch für jeden zu leisten. Jedes Schaf mit Krankheitszeichen unbehnadelt, ungesehen, ununtersucht nur Dr. Kerner vorzustellen, beschleunigt den teuflischen Kreislauf eher noch. Was wäre eine Lösung?
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Re: Tierarzt-Bullshit

Beitrag von Annegret »

@steffi und Schafbauer

Hi,

mit der unterstellten Geldgier hat das mangelnde Schafwissen der Tierärzte wenig zu tun.
Es gibt einfach nicht genügend Schafbestände, dass man davon leben kann.

Aktuelles Wissen kommt nach dem Studium von Fort- und Weiterbildung.
Diese kostet Freizeit, über die keiner in unbeschränktem Maß verfügt und ist nicht ganz umsonst.

Wer will es den Tierärzten verdenken, dass sie ihre karge Freizeit in Brot- und Butter-Tierarten
investieren und nicht in ein paar Außenseiter.

Henry weiß vielleicht, was eine vernünftige Praxiseinrichtung kostet. Die fällt wenigstens nur einmal an.
Dazu kommen wiederkehrende Kosten. Allgemeinkosten, wie Praxismiete, Heizung, Strom, Wasser, Personal, Reinigungskosten, Verwaltungskosten, wie Buchhaltung, Steuerberater, Gehaltsabrechnungen; Krankenversicherung, Haftpflichtversicherung, Berufsgenossenschaft, Altersvororge, Kosten für die Apothekenkontrolle, die Kontrolle für die Röntgenanlage, Berufmedizinische Beratung, die auch erst mal bezahlt werden will, und und und.... . Ach ja, das neue Praxisauto fällt auch alle paar Jahre an. Wieviele Schafbestände muss man um € 50,-- pro Besuch im Klientel haben, um das zu bezahlen?

Wenn das Alles bezahlt ist, sind noch die Lebenshaltungskosten für den Tierarzt und seine Familie zu erwirtschften.

Liebe Leute, lasst bitte die Kirche im Dorf.

Die Lösung wäre, sich zusammen zu tun und gemeinsam einen Tierarzt mit Betreuungsvertrag oder ähnlichem an sich zu binden und damit zur Fortbildung zu verpflichten.

Gruß

Annegret
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