Geburtshilfe bei der Normallammung?

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KABA
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Re: Geburtshilfe bei der Normallammung?

Beitrag von KABA »

Meine Mädels lassen mich dabeisein, für sie ist das absolut kein Stress. ich überwache nicht rund um die Uhr, aber die Weide ist schräg gegenüber, so dass ich öfter mal nachsehen kann - manchmal reicht ein Blick aus dem Fenster :)
Sie lammen fast überwiegend auf der Weide, und oft sind die Lämmer dann "einfach" da. Da sie aber meistens Mehrlinge bekommen, bin ich gerne dabei - zum Glück meist nur zum Zusehen, denn es geht alles gut. Es kann aber auch mal vorkommen, dass die Lämmer falsch liegen, sei es in Hinterendlage, Steißlage, oder, noch unglücklicher, dass zwei zusammen raus wollen - da muss ich doch eingreifen! Und weil dass eben vorher nicht absehbar ist, freue ich mich, wenn ich dabei sein kann. Wie gesagt: meist nur zum Zusehen. Wenn ich Mutter und Lamm helfen kann, weil es dann einfach schneller und wahrscheinlich schmerzfreier geht, tu ich das manchmal auch - wohl wissend, dass es auch alleine gegangen wäre. Aber eben erst dann, wenn das Lamm schon "auf dem Weg" ist, also nicht "reingreifen, suchen, rausziehen"!
Es kann aber auch passieren, dass das Lamm zwar alleine rauskommt (lebend), aber in geschlossener Fruchthülle - wenn man die nicht sofort öffnet, ist das Lamm innerhalb kürzester Zeit gestorben. Und wenn z.B. die Fruchtblase schon geplatzt ist, das Lamm aber nicht bzw. nicht schnell genug alleine kommt, dann lass ich es doch nicht verrecken, nur weil "die Natur das schon regelt" ! Ja, in der Natur wären mindestens das Lamm/die Lämmer, u.U auch die Mutter, gestorben, aber die Schafe leben nicht in freier Natur, sondern in unserer Obhut, und da haben wir auch eine Verantwortung. In solchen Fällen einzugreifen, finde ich nicht verwerflich. Und auch nicht, Schafe nach so einer Geburtshilfe wieder decken zu lassen - das sind Dinge, die einfach mal passieren können. Wenn allerdings auch die folgende Lammung nicht "normal" abläuft, ist das natürlich ein Ausschlusskriterium :bye: Schafe mit Vorfällen (Prolabs) bekommen dagegen keine zweite Chance! Das sind dann aber ja auch keine Normallammungen, wie bei der Ausgangsfrage.
Ich wünsche dir die Fröhlichkeit eines Vogels im Eberescheneschenbaum am Morgen,
die Lebensfreude eines Fohlens auf der Koppel am Mittag,
die Gelassenheit eines Schafes auf der Weide am Abend.
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Henry
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Re: Geburtshilfe bei der Normallammung?

Beitrag von Henry »

Ich bin in einem Optimierungsprogramm in der „Mastlammproduktion“. Die Schäfereien haben Ablammraten von knapp 2 oder tatsächlich 2 über alle - auch Zutreter. Es kommt auf jedes Lamm an, auch wirtschaftlich. Es ergeben sich auch immer wieder Situationen, in denen sich Lammungen und Problemlammungen zeitlich überschneiden. Da ist jede abgelammte Mutter mit zwei Lämmern am Euter besser, als eine, die nebenan noch preßt und stöhnt und kreiselt. Klare Verhältnisse in der konkreten Situation sind mir da wichtiger, als eine Aussage, ob das Schaf auch ohne Hilfe gesunde Lämmer ans Euter gekriegt hätte.

Zudem ist es durchaus möglich, auch den assistierten Geburtsvorgang zu benoten. Eine Normallage (Kopf auf den Beinen) die in kürzester Zeit zu entwickeln ist, ist eine „erleichterte“ Leichtgeburt. Jede Einengung nach Blasensprung ist es nicht.
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Henry
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Re: Geburtshilfe bei der Normallammung?

Beitrag von Henry »

Heumann hat geschrieben:In irgendeinem alten Schafbuch habe ich mal eine Statistik gesehen, die untersucht, ob nächtliche Kontrolle (und damit Hilfe) das Ergebnis verbessert. Heraus kam ein klares Nein.
Die Vetmed in Leipzig hatte ein Studentenprojekt. Dabei wurden Nachtpraktika für Jungsemester im Stall durchgeführt. Aufgabe war ausschließlich die Überwachung und Beobachtung im Ablammstall die sofortige Nabelversorgung und das Alarmschlagen beim Problemen. Es ging ums Lernen. Die Studenten wurden in Schäfereien mit hohen Lammverlusten in zeitlichen Zusammenhang zur Lammung geschickt. Sie sollten Ursachen finden. Sie waren zu zweit. In den Schäfereien gingen die Lammverluste so drastisch zurück, daß man statt Ursachenforschung (fürs Vorjahr) feststellen mußte, daß allein durch die fehlende Überwachung in Folge AK-Mangel in der Lammzeit der wirtschaftliche Schaden Ergebnisrelevant ist (weil halt nur lebende Lämmer auch eine Gewinnchance bis zum Schlachterlös mitnehmen) Das sprach sich rum und die Schäfereien versuchten Studenten zu kriegen.

Leider interessiert sich an der Uni keiner mehr für Schafe. Das Projekt gibt es nicht mehr.
Henry
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Martiku
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Re: Geburtshilfe bei der Normallammung?

Beitrag von Martiku »

Meine Skudden lammen in 70 % der Fälle tagsüber und davon bekomme ich den Großteil auch mit. In gewisser Entfernung beobachte ich dann, ob alles so läuft, wie es laufen sollte. Wie KABA auch schon sagte, greife ich höchstens mal ein, wenn die Mutti noch das erste Lamm ableckt und das zweite noch in der Fruchthülle steckt. Da wird dann zumindest so weit sauber gemacht, dass es alleine schnaufen kann. Wie bei Skudden eigentlich üblich, hatten sie bisher nie Probleme unter der Geburt. Dieses Jahr hatte ich eine Schulterlage (wie sich im Nachhinein herausstellte). Das Schaf war abends bereits auffällig (hin und wieder mal eine Wehe), am nächsten Tag zeigte sich aber keinerlei Veränderung. Als die Fruchtblase dann sichtbar war und die Wehentätigkeit auch nicht intensiver wurde, musste der Tierarzt her. Der hat dann in einer etwa einstündigen Frickelarbeit und sich wieder schließendem Muttermund einen kleinen Bock geholt, der mittlerweile auch über den Berg ist. Selbst hätte ich das wohl eher nicht hinbekommen. Wobei das ja dann auch nicht mehr zur Geburtshile bei Normallammung zählt ;)
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Re: Geburtshilfe bei der Normallammung?

Beitrag von grauwoller »

Eine 24 Std Anwesenheit zur Lammzeit, ist bei dem was Henry beschreibt, aus meiner Sicht alternativlos. Ich halte es trotzdem für suboptimal, generell früh einzugreifen. Im Gegenteil,müsste ich mich doch freuen, wenn parallel zu 2 Problemlammungen mit Hilfebedarf, 2 Lammungen ohne mein Eingreifen ablaufen, und ich mich um die Problemlammungen kümmern kann.
Die meisten der Antworten kommen ja von Schafhaltern, und dazu zähle ich ja auch,die eine kleinere Herde mit Robustschafen halten, da ist die Situation eine ganz andere, und mit der von Henry nicht zu vergleichen. Bei den Landschafen hat eine jahrhunderte lange Tradition, von den Tieren betreuungsarmes Ablammen zu verlangen, zu einer Selektion auf problemloses Lammen geführt. Wir profitieren also heute davon, dass in früheren Jahren der Lämmertod als naturgegeben hingenommen wurde, und die "versagenden" Mütter dann zum Schlachter mussten.
Ich betreibe die Schafhaltung im Nebenerwerb, das bedingt, dass ich eine ausreichende Portion Nachtschlaf benötige, um bei der ausserlandwirtschaftlichen Arbeit, Leistung bringen zu können. Hätte ich eine Schafrasse mit viel Hilfebedarf, könnte ich meinen Job an den nagel hängen. Bei 40 Mutterschafen ohne Ablammboxen kann natürlich immer etwas schiefgehen, und ich bin jedesmal froh,wenn es den Lämmern und der Mutter an nichts fehlt. Der letzte Kontrollgang, bevor ich mich in die Koje lege, ist dann auch sehr gründlich. Wenn 2 gleichzeitig lammen wollen, schaue ich,dass sie nicht zu dicht beieinander sind, sonst können u.U. die Lämmer durcheinanderkommen, und wenn ich skeptisch bin, dann bleibe ich auch schon mal länger auf. Aber bisher 35 Geburten waren verlustfrei, einmal musste ich nachhelfen.

Christoph
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Henry
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Re: Geburtshilfe bei der Normallammung?

Beitrag von Henry »

grauwoller hat geschrieben:Eine 24 Std Anwesenheit zur Lammzeit, ist bei dem was Henry beschreibt, aus meiner Sicht alternativlos.
... und genau da setze ich ja an! Da diese 100%-Überwachung bei bestimmten Lammungsregimen und Herdengrößen wirtschaftlich nicht zu leisten ist, ist ja der Gedanke, durch "Wegehelfen" aller KandidatInnen mit Wehen ein gefahrlos überwachungsfreies Zeitfenster zu schaffen, zum Beispiel um in Abwesenheit zu schlafen oder anderes zu tun, eventuell woanders nötige Hilfe zu leisten.

Ein anderer Punkt ist die frühestmögliche Komplikationsbehandlung. Erwiesenermaßen beeinflussen die Dauer der gestockten Geburt das Ergebnis negativ. Je eher eingegriffen wird, desto wahrscheinlicher ist ein Überleben aller Beteiligten (außer des Eingreifers natürlich :rofl: ) Darüber gibt es Arbeiten und Untersuchungen - tatsächlich auch mal vom Schaf. Ein Kaiserschnitt, der statt einer Geburtshilfe sofort durchgeführt wird, hat demnach sogar einen besseren "outcome" als die normale unbeaufsichtigte natürliche Lammung. :eek: Und das ist alleine durch die bloße Überwachung schon erklärbar. Eine Fehllage, die schon gleich nach Beginn der Austreibungsphase bemerkt und korrigiert wird, ist wesentlich schonender für alle Beteiligten (einschließlich des Helfers, diesmal :engel1: )aufzulösen, denn Fruchtwasser ist noch ausreichend vorhanden, das Muttertier steht vermutlich sogar noch und vor allem hat sie nicht schon alle möglichen Lämmerbeine verknotet tief ins Becken gepreßt und die Gebärmutter dahinter zusammengezogen, damit auch ja nix mehr zurück geschoben werden kann ...
Henry
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Re: Geburtshilfe bei der Normallammung?

Beitrag von grauwoller »

es hat schon seinen Sinn,warum eine komplikationslose Geburt die Zeit beansprucht,die du ihr nicht zugestehen willst. Ein zu frühes Eingreifen nimmt den Prozess des langsamen Dehnens weg. Ob derjenige den Eingriff so hinkriegt, dass es für das Mutterschaf frei von Folgekomplikationen bzw Folgeinfektionen bleibt, bleibt fraglich. Sicherlich hast du als "Serientäter" in Sachen Geburtshilfe da eine gewisse Routine, ich gehe also davon aus,dass du die Situation entsprechend einschätzen kannst. Wer jetzt aus diesem Beitrag aber die Aufforderung herausliest, er könne ruhig beschleunigend eingreifen, sollte sich über die Grenzen seiner Fähigkeiten im Klaren sein. Ich habe jedenfalls im Laufe der mittlerweile 23 Jahre mit den Pommern, das vertrauen in die Fähigkeiten meiner Schafe immer wieder bestätigt bekommen, weiss aber gleichzeitig auch, dass es eine gute Entscheidung war, sich von den anfänglichen Problemschafen zu trennen, bzw. von ihnen keine Nachzucht zu behalten.

Christoph
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Babs
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Re: Geburtshilfe bei der Normallammung?

Beitrag von Babs »

grauwoller hat geschrieben: Ein zu frühes Eingreifen nimmt den Prozess des langsamen Dehnens weg.
Es macht dabei, und was den Stress für das Schaf angeht, auch einen Unterschied, ob man (womöglich mit einer großen Männerhand) in ein großes Fleischschaf oder z.B. in eine kleine Skudde hineingreift.
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Henry
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Re: Geburtshilfe bei der Normallammung?

Beitrag von Henry »

Das ist ganz zweifelsohne so und ich bin glücklich über meine Handschugröße 7. Gleitgel (Embryosol) relativiert allerdings. Auf die frisch gewaschene Hand und den noch nassen Unterarm gegeben macht es oft den entscheidenden Unterschied. (Gleitgel für Sanitärverrohrung ist übrigens eine billige Unsitte auf Seifenbasis.)
Henry
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Re: Geburtshilfe bei der Normallammung?

Beitrag von Schafhüterin »

Henry hat geschrieben:Ich bin in einem Optimierungsprogramm in der „Mastlammproduktion“. Die Schäfereien haben Ablammraten von knapp 2 oder tatsächlich 2 über alle - auch Zutreter. Es kommt auf jedes Lamm an, auch wirtschaftlich.
Hallo Henry,

du hättest mehr Zuspruch, wenn du hier mit Berufsschäfern diskutieren wüdest, denn die leisten in der Regel Geburtshilfe.
Ich leiste auch Geburtshilfe, wenn ich es mitbekomme und es geht nicht zügig voran.

Was soll sich die Mutter abstrampeln und auspowern, wenn sie diese Energie einsparen kann, um ihr Lamm besser zu versorgen?
Macht doch keinen Sinn, die Alte lange drücken zu lassen. Da unterstützt man.

Ich habe 4 Kinder normal (kein Kaiserschnitt) zur Welt gebracht. Ich hatte zum Glück Hilfe. Der 1. wog 4500 g, die Zwillinge 3800 g und 2600 g und die 4. wog 4250 g. Mein Gewicht damals, wie heute liegt zw. 52 und 55 Kilo.
Wurde zum Glück nicht aussortiert, hat mich auch nicht davon abgehalten, weiter Kinder zu bekommen, obwohl mein 1. Kind im Geburtskanal stecken blieb. Keiner meiner Kinder wurde dadurch geschädigt. So ein Neugeborenes hält schon was aus und die Mutter auch (früher zumindesten). :lol: Da waren Hausgeburten an der Tagesordnung, später sind die Frauen ja dann auch ins Krankenhaus und haben sich helfen lassen.

Bei den Schafen werden Ablammschwache aussortiert, kein Thema, aber ein Jahr ist eben mal nicht wie das andere, da spielen Kondition (Nährstoffversorgung, Futterangebot, Deckbock, Witterungsverhältnisse, Seuchen usw.) eine Rolle. Man überprüft schließlich nicht jedes Schaf auf Herz und Nieren. Bei größeren Herden schon mal gar nicht.

Ich habe schon Lämmer verloren, weil ich nicht eingegriffen habe - erstickt.

Ich greife erst ein, wenn die Klauen und die Nase zu sehen sind, die Mutter sich zu sehr anstrengen muss, nicht vorher....

Es ist eben nicht ein Jahr, wie das andere....
Schafhüterin


Ich arbeite für Schafe
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