Vermeidung von Inzucht bei seltenen Rassen

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Henry
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Re: Vermeidung von Inzucht bei seltenen Rassen

Beitrag von Henry »

Driftwool hat geschrieben:richtig, richtig gut gefallen würde, wäre ShetlandXBFL. Da habe ich einige gesehen, die mir super gefallen haben!
Mir gefällt auch immer, wo Bluefaced Leicester drin ist. Melde Dich, wenn Du's probieren willst. Es gibt auch Samen von unsern inzwischen.

Ich verwende die Vaterschaftsnachweise als sicheren Herkunftspaß. Wenn ich wieder im Büro bin poste ich mal den Print von "Dr. Sheldon" und einem Halbbruder. Eurofins Genomics macht für die Blufaced Leicester Sheep Breeders' Association in Deutschland die Abstammungssicherung. Alle gehandelten Schafe sind so sicher erfaßt und "Irrtümer" bei Nachkommen ausgeschlossen. Diebstahl zur Zucht zwecklos. :lachma:
Henry
der
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Sasdi
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Re: Vermeidung von Inzucht bei seltenen Rassen

Beitrag von Sasdi »

Kurze Ergänzung: Ein bisschen entspannt sich die Situation, da es wohl doch G1-Tiere bei Shetlandern gibt. Damit haben wir die Möglichkeit, irgendwann frisches Blut aus Holland oder vielleicht sogar UK zu holen.
LG Saskia
smallfarmer
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Re: Vermeidung von Inzucht bei seltenen Rassen

Beitrag von smallfarmer »

Klar gibt es G1 Tiere in den Highlands. Man muss nur die passenden Züchter finden, die die Kosten der Genotypisierung bezahlen. Und dann gleich ne gute Anzahl holen. Spart Kosten und Nerven.
Bfl x Shetland zu kreuzen ist ungefähr so sinnvoll wie Chianina x Dexter Rinder. Betty Stikkers arbeitet ja mit Merino Böcken und nennt die Kreuzungen dann Sherino. Ich habe die letzten Monate einen Shetland Jährling hier in der Herde gehabt, welcher nicht vom Vater gedeckt werden sollte
Driftwool
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Re: Vermeidung von Inzucht bei seltenen Rassen

Beitrag von Driftwool »

Das mit den Chianina Rindern verstehe ich nicht. Es gibt ja einige Kreuzungen, die sehr viel Sinn machen - wobei da immer die Frage ist: "Für wen und warum".
Anderswo macht "reine Rasse" viel mehr Sinn. Sowohl mit Erhalt der Vielfalt als auch mit "Verbesserung" der Rasse. Und da ist es dann wieder die Frage, was der einzelne unter "Verbesserung" versteht....
Die Sherinos finde ich auch spannend. Allerdings haben mich Betties Beschreibungen der Empfindlichkeit der F1 damals abgeschreckt.
Das klingt jetzt so, als wolle ich auf Teufel komm raus kreuzen. Will ich gar nicht. Ich finde die Shetlander ziemlich perfekt! Trotzdem beobachte ich sowas mit Spannung. Und die ShetlandXBFL haben mir einfach mal gut gefallen. Würde ich nicht von der Weide jagen...

Für einen eventuellen Import habe ich ja ein paar Züchter "im Hinterkopf". Wobei ich nur von einem wirklich weiß, daß er (bzw. sie) den Papierkram und die Genotypisierung mitmachen würde. Bei zwei anderen geheh ich davon aus, hab das aber nie angesprochen. Das ist allerdings wieder ein ganz anderes Thema...
Sellom
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Re: Vermeidung von Inzucht bei seltenen Rassen

Beitrag von Sellom »

Moin,
gerade beschäftige ich mich auch damit, wieviel Inzucht ich mir gerade noch erlauben kann. Oben steht etwas über eine Anpaarung von Urgroßvater mit Urenkelin. Das ist mir dann doch etwas zu eng; schließlich haben die Nachkommen dann ja wieder 56,25 % Anteil des Urgroßvaters, was gegenüber der Urenkelin mit 12,5 % Anteil eine deutliche Erhöhung darstellt. Besser Enkel mit Enkelin anpaaren - so bleiben die Anteile wenigstens stabil bei 25 %.

Weiter habe ich oben gelesen, dass nicht unbedingt sämtliche Muttern der Herde jedes Jahr gedeckt werden - dieser Gedanke gefällt mir sehr gut - dazu bin ich auch übergegangen. Die Anpaarungsplanung mit dem OVICAP ist mir eine gute Hilfe dabei. Allerdings plagt mich meine eigene Unsicherheit darüber, welchen Inzuchtkoeffizienten ich mir gerade noch genehmigen darf - wo ist die Grenze - wo ist definitiv Schluss. An dieser Stelle interessiert mich sowohl die Meinung anderer Züchter mit ähnlichen Gedanken, als auch Beiträge wissenschaftlich untermauerten Fachwissens.

danke Euch,
Sellom
Stockmann
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Re: Vermeidung von Inzucht bei seltenen Rassen

Beitrag von Stockmann »

Urgroßvater x Urgroßenkelin ergibt einen Inzuchkoeffizienten von 6,25 % nicht 56,25 %!

In den Nachkommen einer solchen Anpaarung kommen 50 % der Erbinformationen vom Vater und die Erbinformationen der Mutter bestehen zu 6,25 % aus den gleichen Erbinformationen. D.h. nur diese 6,25 % der Erbinformationen kommen zweimal in den NK vor.

Generell, z.B.in der Pferdezucht, bin ich zwar ein Anhänger von outcross Paarungen, aber ohne gewisse Inzucht gibt es z.B. nun mal keine neue Rasse, keine Höchstlegeleistung bei Hühnern, keine Höchstmilchleistung bei Rindern, keine Höchstspringleistungen bei Springpferden etc. etc.

Die Gefahr einer Inzuchtdepression ist zwischen einzelnen Arten unterschiedlich groß. Bei Arten die in der Natur sehr standorttreu sind (Schafe, Rehe etc.) hat die Natur für eine geringere Anfälligkeit gesorgt als bei Arten die durch Wanderungen für eine breite Gendistribution sorgen.

Ich habe z.B. im letzten Jahr eine bewusste Verpaarung von zwei Nolana Halbgeschwistern vorgenommen (Inzuchtgrad sogar 15,65 % weil in der Mutterlinie früher schon mal ingezogen wurde) um ein bestimmtes Merkmal das bei diesen beiden Tieren überdurchschnittlich ausgeprägt ist, genetisch zu festigen. Dass Ergebnis ist bis jetzt sehr überzeugend. Direkt nach der Geburt war ich etwas besorgt weil das Lamm sehr unterdurchschnittlich vital, stakelig mit überlangen Beinen, und einem eigenartigen Fell geboren wurde. Dies hat sich aber innerhalb der ersten Wochen total ausgewachsen. Das Tier erscheint heute absolut vital, sehr wuchsfreudig und normal clever zu sein. Das gewünschte Körpermerkmal scheint tatsächlich besonders ausgeprägt vererbt zu sein. Mit etwas Glück wird sich, bei Anpaarung dieser Tochter mit einem entsprechenden Bock im nächsten Jahr, ein Heterosiseffekt einstellen, der dann zu besonders fitten Nachkommen führen kann aber nicht muss. Es kann auch genau das Gegenteil eintreten, daß sich nämlich die eher unerwünschten Merkmale überdurchschnittlich durchsetzen. Zucht ist eben auch ein Spiel mit Wahrscheinlichkeiten. Bei Inzucht oder auch bei bloßer Linienzucht muss man allerdings bei der Selektion künftiger Zuchttiere ganz besonders konsequent vorgehen sonst kommt es mit großer Sicherheit zu unerwünchten Inzuchtdepressionen oder gar letalen Ergebnissen.
Fleisch ist ein Stück Lebenskraft.

Nolana: Schafe der Vernunft.
Sellom
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Re: Vermeidung von Inzucht bei seltenen Rassen

Beitrag von Sellom »

Urgroßvater x Urgroßenkelin ergibt einen Inzuchkoeffizienten von 6,25 % nicht 56,25 %!
Das ist richtig -- meine recht hohen Prozentzahlen entsprechen natürlich nicht dem Inzuchtkoeffizienten, sondern geben nur an, wieviel Prozent erneut wieder wenigstens 1x auftreten. (gerechnet wie folgt: Urgroßvater bringt 100% seiner Gene ein und seine Urenkelin 12,5% der Urgroßvatergene. Demnach tritt in den NK (immerhin schon 4. Generation) der Urgrv. noch immer mit 56,25% in Erscheinung. Bei Nolana ganz bestimmt ein guter Weg, um Verbesserungen zu erzielen. Meine Rasse hingegen hat schon einen engen Flaschenhals hinter sich (Ausgangsmaterial: 7 B und 42 MS). Sicherlich sind auch hier Verbesserungen erwünscht; aber in erster Linie geht es um eine gute Verteilung des Genmaterials - will sagen, dass eingesetzte Elterntiere im Laufe der Zucht immer weniger in Erscheinung treten sollten.
OVICAP hingegen arbeitet ja mit dem viel genaueren INzuchtkoeffizenten, welcher alle bestehenden Verwandtschaften mit einbezieht. Mithin muss ich meine Frage wohl etwas exakter formulieren: Wenn ich in Ermangelung eines geeigneten fremden Bockes gezwungen bin, einen aus meiner eigenen Nachzucht zu verwenden, mögliche Inzuchtdepressionen aber nicht erkennbar werden sollen, wie hoch sollte ich den Koeffizienten maximal ausreizen - 15% erscheint mir für diesen Zweck zu hoch, um eine noch gesunde Genverteilung aufrecht zu erhalten.

danke,
Sellom
moony
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Re: Vermeidung von Inzucht bei seltenen Rassen

Beitrag von moony »

Zum Import-Thema:

Ist bei den Gotländern ja auch so, mittlerweile laufen vll. um die 200 im Herdbuch in Deutschland, die schwedischen Böcke werden bis zum umfallen eingesetzt. Ein Tier zu finden, was unverwandt mit diesen wenigen schwedischen Böcken ist und auchnoch die erforderlichen Leistungen bringt, ist quasi unmöglich. Aber, wir haben den Luxus des Imports. Import geht auch bei nicht-G1 Tieren. Schweden zB. hat den Status "vernachlässigbares Risiko", dh. importierte Tiere von dort müssen mind. G3 haben, aber nicht zwangsläufig G1. Mittlerweile gibt es auch zwei mir bekannte Betriebe in den Niederlanden und in Dänemark, die an einem national genehmigten Scrapie-Programm teilgenommen haben/teilnehmen. Auch einzelbetiebliche Zertifizierung ist möglich. Nach sieben Jahren (glaube es sind sieben, vielleicht auch drei, müsste ich nochmal besser nachlesen) strenger Auflagen bzgl. Scrapie ist der Betrieb offiziell "kontrolliertes Scrapie-Risiko" auch mit G3, darf also zum Import/Export genutzt werden (s. Merkblatt LUA Rheinland-Pfalz "Scrapie - Erkrankung und Bekämpfungsstrategien").

Zum Thema Inzucht:
Meiner Meinung nach "es kommt drauf an", nämlich was mit der Rassebezweckt werden soll. Bei Rassen, die zur Erhaltungszucht eingesetzt werden sollen, sollte man mMn. tatsächlich das Risiko der Inzucht senken und die Genreserve gut verteilen-s. Henry.
Bei Rassen wie Shetlandschafen, Jakobsschafen, Pelzschafen, "neuen" wie Nolanas ... die lediglich kleine Populationen hier in DE haben, aber potentielle Genservern noch wo anders liegen haben (Ausland, Nachzucht aus anderen Rassen wie bei Nolana), finde ich es manchmal sogar sinnvoll, gewisse Inzucht drin zu haben. Besonders, wenn es um spezielle Merkmale, in meinem Fall zB Pelzqualität geht.
Ich habe eine Dame, wo der Vater (Schwede, Top Tier) gleichzeitig der Großvater ist, die Mutterlinienaber genetisch weit entfernt liegt. Tolles Tier, tolle Leistung, kein Makel, super fitte und überdurchschnittliche Lämmer. Gerade bei Rassen mit hoher (und unerwünschter) Varianz halte ich das durchaus für sinnvoll. Nur übertreiben sollte man es nicht. Ich habe überlegt da einen Deckbock ein zu setzen der den selben Großvater (der Schwede) hat, aber das ist mir tatsächlich auch nicht mehr geheuer.
Sellom
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Re: Vermeidung von Inzucht bei seltenen Rassen

Beitrag von Sellom »

Nabend,
hab jetzt mal mit unserer Zuchtleitung gesprochen - so ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Diversität scheint dort gar nicht vorzuliegen. Meine Bedenken über einem IK von 6,25 % brachte dann doch ein gewisses Schmunzeln hervor - unter 10% sei gar kein Problem. Für 12,5% sollte man schon einen züchterischen Grund haben - selbst 15% können für diesen Grund noch herhalten - dann aber bitte gleich n Großeinsatz auf der Ebene, und dann knallhart selektieren. Bis hier, glaube ich, war das Gespräch für mich verständlich - Fortgeführter Gesprächsbestand entzog sich auch meinen praktischen Möglichkeiten - hab ja nur 20 Muttern, was die Sache auch schon wieder kompliziert macht, denn die sind ja in tieferliegenden Generationen auch schonmal miteinander verkuschelt worden - aber OVICAP rechnet für mich :)

Sellom
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Re: Vermeidung von Inzucht bei seltenen Rassen

Beitrag von Stockmann »

Vielleicht ist es interessant, sich mit den Zuchtprogrammen und -techniken zu beschäftigen die in vielen Zoos für wirklich vom Aussterben bedrohte Arten praktiziert werden? Dort findet man ja Wege, selbst aus Minipopulationen, für die es weltweit nur noch wenige Exemplare gibt, noch eine Erhaltungszucht hinzubekommen ohne an einer Inzuchtdepression zu scheitern. Ansonsten denke ich, auch aus nur 20 Muttern sollten ausreichend Nachkommen selektierbar sein, die sich für eine weitere züchterische Bearbeitung eignen. Zumindest dann, wenn man sie über mehrere Jahre gleich anpaart.
Fleisch ist ein Stück Lebenskraft.

Nolana: Schafe der Vernunft.
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