Ganzheitlich geplante Beweidung - Holistic Management

Manfred
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Ganzheitlich geplante Beweidung - Holistic Management

Beitrag von Manfred »

Auf selbstvers.org habe ich schon einiges darüber geschrieben.
Ich möchte das Thema auch hier diskutieren, wo es vermutlich sogar besser aufgehoben ist, weil mehr Weidetierhalter anwesend sind.

Im Groben geht es darum, mit den Weidetieren den Effekt der ehemals vorhandenen, großen, ziehenden Pflanzenfresserherden zu simulieren. Der Großteil der natürlichen Grünlandflächen der Erde sind in Koevolution mit solchen Herden entstanden und die Grünlandpflanzen wurden so über viele Tausend Jahre auf eine optimale Anpassung an die Effekte der ziehenden Herden selektiert.
Dieses Erbe/Verhalten tragen die Pflanzen noch immer in sich und man kann auf der Weide ein besseres Pflanzenwachstum erreichen, wenn man es schafft, diesen Herdeneffekt zu imitieren.

Zum Einstieg der TED-Vortrag von Allan Savory, der das ganze Konzept maßgeblich entwickelt und vorangebracht hat.
(Englisch mit deutschen Untertiteln.)
https://www.ted.com/talks/allan_savory_ ... anguage=de
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seb
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Re: Ganzheitlich geplante Beweidung - Holistic Management

Beitrag von seb »

Ich habe mich heute zum ersten Mal intensiver mit Savory beschäftigt, weil ich hier im Krankenhaus sehr viel Zeit habe. Sein Vortrag ist natürlich eine starke Vorstellung, allzu gerne möchte man glauben, daß jemand den Schlüssel zur Antwort auf Versteppung, Klimawandel und Welternährung gefunden hat. Er hat ein sehr starkes Argument auf seiner Seite: die Evolution. Einige der großartigsten Landschaften der Erde sind in der Zusammenwirkung von herdenbildenden Pflanzenfressern entstanden, da hast du recht, Manfred. In Amerika die Great Plains, in Asien die Steppen der Mongolei und angrenzender Regionen, in Afrika und auch in Australien unzählige Savannengebiete. Dabei ist es erstmal egal, ob die Weidetiere wild oder domestiziert sind. Letztlich sind die Nomadenvölker ja auch nur ihren wandernden Herden gefolgt und machten es damit den Indianern bei den Büffeln oder den Raubtieren nach. Wir haben da vielleicht manchmal ein etwas falsches Bild im Kopf.
Die Sesshaftwerdung gelang ja nur deshalb, weil es mit dem Ackerbau möglich wurde, größere Mengen an Lebensmitteln an einem Ort zu erzeugen und zu bevorraten. Das dann auf klimatisch begünstigten fruchtbaren Standorten, und die sind nicht überall verfügbar. Mit dem Anstieg der Bevölkerungszahlen wird das zunehmend schwierig. Und seit der Industrialisierung zerstören wir nicht nur viele fruchtbare Böden, sondern natürlich auch die Lebensgrundlagen für Millionen oder Milliarden von Menschen auf dem Land. Das ist kein Zukunftsmodell, das scheint mir klar.

Wenn wir Savorys Ansatz auf unsere mitteleuropäische Kulturlandschaft anwenden, wird es etwas schwierig. Zum einen gibt es nur sehr wenige, zusammenhängende und ausreichend große Grünlandgebiete, die sich für eine sehr großflächige Beweidung eignen. Im eigenen, landwirtschaftlichen Betrieb komme ich aber mir meiner praktizierten flexiblen Dauerweide der Sache ziemlich nah, denke ich. Allerdings kann ich das nicht auf allen Flächen praktizieren, weil nicht alles arrondiert ist, und ich nicht viele kleine Gruppen versorgen will. Und der grundsätzliche Gedanke, Landwirtschaft mit low input und einer ganzheitlichen Betrachtunsgweise zu praktizieren- das ist für mich schon seit langem der Weg.
Manfred
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Re: Ganzheitlich geplante Beweidung - Holistic Management

Beitrag von Manfred »

Ich beschäftige mich jetzt schon länger und ziemlich intensiv mit seiner Arbeit. Und ich bin mir zu 100% sicher: Er hat den Code für die Beweidung von Gebieten mit sprödem Klima geknackt. Seine Methoden finden exponentiell wachsende Verbreitung, auf allen landwirtschaftlich genutzten Kontinenten. Dass sich der Futterertrag in wenigen Jahren auf das 2 bis 4-fache steigert ist mehr die Regel als die Ausnahme.
Es gibt inzwischen auch einige Firmen, die im großen Stil Kapital einsammeln, Flächen kaufen oder langfristig pachten und umstellen. SLM Partners z.B. bewirtschaftet in Australien inzwischen 450.000 ha mit Rindern:
https://www.youtube.com/watch?v=MtrL_7a6VMA

Für Gegenden mit ausgeglichenem Klima, wie bei uns, gab es ja schon vorher weitgehend ausgereifte Planungsmethoden. Besonders hervorzuheben ist da André Voison. Dessen Methode haben die Neuseeländer perfektioniert. Im spröden Klima ist sie aber gescheitert. Savory hat Voisins Buch auf Englisch neu verlegen lassen. ISBN-10: 9780933280649.
Kombiniert mit seinen eigenen Beobachtungen und der Arbeit einiger andere Farmer und Forscher in Afrika hat Savory die Methode dann so weiterentwickelt, dass sie weltweit in allen Klimabereichen anwendbar ist.
Er verlangt auch nirgends großflächige Beweidung. Das ist ein Irrtum. Er empfiehlt sie nur dort zu nutzen, wo sie passt.
Die Methode lässt sich aber für die Planung von Beweidungsprojekten jeder Größenordnung nutzen.
In meinen eigenen, bescheidenen Versuchen bin ich bisher auf eine Steigerung ausgehend von 0,6 GV auf ca. 1,4 GV / ha gekommen. Ausgehend von einer quasi Dauerstandweide hin zu einer Intervallbeweidung.

Im SV Forum habe ich letztes Jahr zur Erläuterung der Grundlagen diesen Beitrag geschrieben:

"Die natürlichen, großen Graslandflächen der Erde sind durch die Koevolution von Grünlandpflanzen, großen Pflanzenfresserherden und Raubtierrudeln entstanden.
Aus Angst vor den Raubtieren blieben die Pflanzenfresserherden eng zusammen. Am sichersten war das einzelne Tier im Inneren der Herde. Je größer die Herde, desto besser der Schutz.
Die riesigen, eng zusammenstehenden Herden fraßen das Grünland auf dem sie standen schnell ab, trampelten es nieder und setzten Kot und Urin ab.
Deshalb waren diese Herden gezwungen, ständig und großräumig zu wandern, um ausreichend frisches Futter zu finden.

Die Grünlandpflanzen haben sich im Laufe ihrer Evolution an dieses Verhalten der Herden angepasst.
Sie sind optimal dafür ausgerüstet, in größeren Zeitabständen abgefressen und niedergetrampelt zu werden, sich davon mögl. schnell wieder zu erholen und die Folgen der durchgezogenen Herde (Tritt, Kot, Licht etc.) als Chance zur Vermehrung und Ausbreitung zu nutzen.

Dies führt uns zu dem am häufigsten falsch verstandenen Begriff beim Thema Beweidung:

Überweidung:

Lange Zeit dachte man, Überweidung, also die Übernutzung von Grünland durch Weidetiere, sei nur eine Frage des Viehbesatzes pro Fläche.
Dieser Denkansatz ist durch wissenschaftliche Erkenntnisse (André Voisin, Allan Savory etc.) seit mind. 1960 überholt, er hält sich aber immer noch hartnäckig in vielen Schulbüchern und wird selbst an Universitäten noch gelehrt, mit allen negativen Folgen für die Bewirtschaftung von Weideland, Nationalparks etc.

Heute wissen wir, dass Überweidung eine Frage der Zeit ist, also wie lange die Weidetiere Zugang zu den Pflanzen haben.
Ein einzelnes Weidetier auf vielen ha Land wird bereits einige Pflanzenarten an einigen Stellen dieser Fläche überweiden, wenn es nur lange genug Zugang dazu hat.
Umgekehrt kann selbst mit einer extrem hohen Tierdichte von mehreren tausend Weidetieren pro ha eine Fläche nicht überweidet werden, wenn diese Herde nicht zu lange auf der Fläche bleibt.

Der Grund dafür ist folgender: Wird eine Grünlandpflanze abgefressen oder niedergetrampelt, dann mobilisiert sie für einen mögl. schnellen Wiederaustrieb ihre in den Wurzeln eingelagerten Reserven. Die unter Nutzung der Reserven gebildeten neuen Blätter ermöglichen eine schnelle Wiederaufnahme der Photosynthese und damit weiteres Wachstum und die anschließend die Schaffung neuer Reserven für den nächsten Pflanzenfresser-Angriff.

Am leichtesten zu schädigen sind die Pflanzen in dem Zeitraum, in dem sie ihre Reserven für den Wiederaustrieb verbraucht haben, aber noch keine ausreichenden neuen Reserven einlagern konnten.
Werden ihnen dann die neuen, jungen Blätter gleich wieder abgefressen oder getrampelt, dann haben sie keine Reserven mehr für einen weiteren schnellen Wiederaustrieb, sondern müssen mit ihrer winzigen, verbliebenen Photosynthesefläche über ganz langes Wachstum mühsam wieder Blätter aufbauen.

Der erste, schnelle Wiederaustrieb erreicht unter unseren Klimabedingungen in der Wachstumsperiode meist nach 3 bis 6 Tagen eine Aufwuchshöhe, die für die Pflanzenfresser wieder attraktiv zum Abfressen ist. Und gerade dieser junge, energie- und zuckerreiche Wiederaustrieb ist besonders gutes Futter und wird deshalb bevorzugt gefressen, statt daneben stehender älterer Pflanzenmasse.

Verbleibt also auch nur ein einzelner Pflanzenfresser für länger als diese 3 bis 6 Tage auf einer Fläche, dann wird er bevorzugt den Wiederaustrieb der bereits abgefressenen Pflanzen vertilgen und diese damit überweiden. Das führt dazu, dass die von dem Tier bevorzugten Pflanzen nach und nach von der Fläche verschwinden, weil sie durch die Schwächung und das damit verbundene immer langsamere Wachstum gegen ihre weniger gerne gefressenen Konkurrenten verlieren.

Das Problem der Überweidung lässt sich also nicht über die Tierzahl pro Fläche, sondern nur über eine zeitliche Steuerung in den Griff bekommen.
Im Gegenteil: Eine zu geringe Zahl von Pflanzenfressern führt zu einem weiteren Problem:

Die Unternutzung:

Die Unternutzung ist in sprödem Klima (ungleichmäßige Niederschlagsverteilung über Jahr, mit längeren Trockenperioden) besonders kritisch. Bei Unternutzung sammelt sich dort viel trockene Blattmasse, welche durch Beschattung den Wiederaustrieb der Pflanze reduziert oder ganz unterbindet. Solche unternutzten Grünlandpflanzen sterben in sprödem Klima in der Regel nach einigen Jahren ganz ab und es bildet sich offener, verkrusteter Boden, sprich Wüste.
In Gebieten mit guter Niederschlagsverteilung führt Unternutzung ebenfalls zum Verlust des Grünlandes. Dort bildet sich aber in der Regel über die Sukzession ein Übergang in eine Hochstaudenflur, dann Verbuschung und dann Wald. Die ökologischen Folgen sind also (je nach Managementziel des Bewirtschafters) weit weniger kritisch als im spröden Klima.
Über den Daumen kann man sagen: Je geringer der jährliche Niederschlag und unregelmäßiger er verteilt ist, desto spröder das Klima und umso schlimmer wirken sich Fehler in der Weideführung aus.
Die gute Nachricht ist: Durch gute Weideführung kann man viele Trocken- und Wüstengebiete wieder in fruchtbares Grünland zurück verwandeln.
Wird eine Weidefläche längere Zeit mit einer geringen Dichte von Pflanzenfressern beweidet, dann werden auf dieser Fläche gleichzeitig Bereiche mit Überweitung und andere Bereiche mit Unternutzung entstehen.

Ein weiteres wichtiges Thema bei der Beweidung ist der

Tritt, bzw. die Trittschäden:

Auch beim Tritt ist der entscheidende Faktor die Zeit.
In vielen Siedlungsgebieten kann man auf Grünflächen gut beobachten was passiert, wenn nur ein oder zwei Menschen jeden Tag quer über die selbe Grünfläche laufen: Sie finden einen bevorzugten Weg und nach wenigen Tagen bis Wochen zeichnet sich ein Trampelpfad ab und früher oder später besteht der Pfad nur noch aus nacktem Boden.
Wenn dagegen an nur einem Tag 365 Menschen über diese Fläche laufen, selbst wenn die meisten davon den selben Pfad nutzen, und die Fläche danach wieder Ruhe hat, dann erholt sie sich schnell und zeigt bald wieder normales Wachstum.
So ist es auch auf der Weide. Gegen wenige Tiere über längere Zeit immer wieder den selben Weg, dann bildet sich ein nackter Trampelpfad.
Sind dagegen viele Tiere nur kurze Zeit auf der Fläche, dann gibt es zwar auch Trittschäden, diese verwachsen sich aber schnell wieder und bieten sogar vielen Pflanzen die Chance, neu zu keimen.
Bei nackten, verkrusteten Böden (häufig in Trockengebieten) ist der kurze, intensive Tritt einer ziehenden Herde extrem wichtig, um die Verkrustung aufzubrechen und so den Pflanzen überhaupt wieder da Keimen zu ermöglichen.

Bodenbedeckung:
Nackter Boden trocknet schnell aus und ist der Sonne schutzlos ausgeliefert.
Das Bodenleben in der oberen Bodenschicht wird durch Wasserentzug und UV-Strahlung abgetötet und kann dann weder altes Pflanzenmaterial zersetzen, noch die lebenden Pflanzen mit Nährstoffen versorgen. Die Krümelstruktur des Bodens zerfällt zu Staub. Der Boden verdichtet und dadurch werden auch noch der Gasaustausch und das Wasseraufnahmevermögen bei Starkniederschlag reduziert.
Bedeckter Boden (durch Pflanzen und Mulch) trocknet langsamer aus, weil Sonne und Wind den Boden nicht erreichen. Das Bodenleben hat mehr Feuchtigkeit zur Verfügung und ist gegen die UV-Strahlung geschützt. Es bleibt aktiv, zersetzt altes Pflanzenmaterial, versorgt die lebenden Pflanzen mit Nährstoffen und schafft eine gute, krümelige Bodenstruktur mit guter Durchlässigkeit für Gase und Wasser.
Eng geschlossene Pflanzenfresserherden trampeln altes Pflanzenmaterial flächig nieder und schaffen so eine schützende Mulchschicht, ermöglichen so dem Bodenleben an das alte Pflanzenmaterial zu kommen um es zu zersetzen und lassen das Licht bis an die Wachstumsknoten der Pflanzen. So entstehend optimale Voraussetzungen für einen schnellen Wiederaustrieb der Pflanzen.

Nährstoffverteilung:
Auch die Nährstoffverteilung (Kot und Urin) ist eine Frage der Zeitsteuerung.
Stehen wenige Tiere lange auf einer Fläche, dann sammelt sich an den von Ihnen bevorzugen Plätzen (z.B. Ruheplatz im Schatten, Tränke etc.) überproportional viel Kot und Urin.
Eine dichte, ziehende Herde dagegen hinterlässt eine sehr regelmäßige Verteilung ihrer Ausscheidungen über die ganze Fläche.

Fazit:
Wenn das Managementziel ein gesunder, artenreicher, ertragreicher Grünlandbestand ist, dann sprechen alle diese Punkte sprechen dafür, bei der Beweidung das Verhalten großer, dichter, ziehender Pflanzenfresserherden mögl. gut zu simulieren.
Heißt: Eine hohe Tierdichte pro Fläche während der Beweidung. Und die Tiere müssen weiterziehen, bevor sie den Wiederaustrieb der Pflanzen abfressen. Und die Tiere dürfen erst zurück kommen, wenn die Pflanzen wieder ausreichend Blattmasse gebildet und genügend Reserven für den nächsten Wiederaustrieb eingelagert haben."
Manfred
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Re: Ganzheitlich geplante Beweidung - Holistic Management

Beitrag von Manfred »

Ein kurzes Video mit Vorher-Nachher-Vergleichen, aus spröden Klimabereichen:

https://www.youtube.com/watch?v=hRg1hOj-0iQ
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LuckyLucy
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Re: Ganzheitlich geplante Beweidung - Holistic Management

Beitrag von LuckyLucy »

WOW!
LuckyLucy, schaffiebrig
Wilhelm
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Re: Ganzheitlich geplante Beweidung - Holistic Management

Beitrag von Wilhelm »

Hi, schöne Bilder nur ohne wirkliche Aussagekraft. Schon der Hinweis"Nearby" bedeutet keinen direkten Vergleich.
Aber egal, ich kenne mich mit Beweidung unter Süd Ns Bedingungen aus. Habe 1972 gegen den Willen meines Vaters und gegen allgemeine Meinung begonnen, Abschied zu nehmen von der Zuteilungsbeweidung mittels E Zaun bzw der Wechselweide nach der Regel:kurze Fress- und lange Ruhezeit.
Knall auf Fall zur Standweide übergegangen, zunächst nur während der Vegetationszeit, seit 2000 mit Beginn der Wildhaltung, zur ganzjährigen Standweide.
Standweide ist nicht unbedingt die altgermanische Galloppweide die sich auszeichent durch große Unkrautflächen aus Disteln, Brennesseln, Ampfer, Binsen, Hahnenfuß und was weis ich für nutzbare Pflanzen.
Intensive Standweide bedeutet Anpassung der Besatzdichte an die jeweilige Fläche. Also maximal soviel Tiere, daß keine irreversdible Trittschäden auftreten. Weiterhin Beobachtung des Aufwuchses . Wächst zuwenig nach ohne das Trittschäden auftreten muß zugefüttert werden. Treten Schäden auf, Besatzdichte verringern.
Im Prinzip ganz einfach, bedeuted aber ständige Kontrolle und und richtige Schlußfolgerungen ziehen.
Für meine Flächen funktioniert das ganz hervoragend, die botanische Zusammensetzung ist derart, daß der Weiskleeanteil fast jedes Jahr den gesamten N Bedarf der Fläche liefert.
Dadurch, daß die Trittbelastung, also das Nichtauftreten von Fehlstellen, der begrenzende Faktor ist, wird der
Aufwuchs durch Zufütterung bzw Besatzdichte gesteuert. Durch Zufütterung kommen über die Ausscheidungen der Tiere zusätzliche Nährstoffe auf die Fläche.
Zusammen mit der Beobachtung der botanischen Zusammensetzung und des Aufwuchses und regelmäßiger Bodenuntersuchungen kann ich so ein Optimum der Nutzung meines Standortes erreichen.
Wenn das hier für die Schafhaltung im Besonderen und die Tierhaltung im Allgemeinen erstmal verinnerlicht wäre ,dann sollten sich hiesige Tierhalter Gedanken zur Weltverbesserung machen.
Gruß, Wilhelm
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Waldschaf
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Re: Ganzheitlich geplante Beweidung - Holistic Management

Beitrag von Waldschaf »

Ist Wilhelms Praxis mit der "neuerdings" empfohlenen Kurzrasenweide gleichzusetzen oder zu vergleichen?

Zu dem oben beschriebenen Modell möchte ich nur anmerken, dass es in Mitteleuropa eben nur wenige von Natur aus offene Flächen gibt, oberhalb der Baumgrenze, in Moorgebieten u.ä.

Robert.
Manfred
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Re: Ganzheitlich geplante Beweidung - Holistic Management

Beitrag von Manfred »

Ja, das ist die Kurzrasenweide, die in D schön länger von der Offizialberatung gepredigt wird.
Ich halte für meine Zwecke nicht mehr viel davon, weil mein Ziel bei einem Minimal-Input-System mit optimalem Futterertrag liegt, die ich auf meinem Standort als wirtschaftlichste Lösung ansehe.
Das ist mit der Kurzrasenweide nicht zu erreichen. Sie hat wieder andere Vorteile.
Das Problem bei der Kurzrasenweide ist, dass es, außer evtl. bei sehr monotonen Narbenzusammensetzung, praktisch nicht gelingt, den Aufwuchs flächig in einer optimalen Wachstumshöhe zu halten. Die Tiere fressen ihre bevorzugten Arten immer stärker ab als den Rest. An diesen Stellen verliert man durch den gebremsten Wiederaustrieb Ertrag. Auch können sich in diesem System viele Arten nicht durch Aussaat selbst erhalten und gehen so verloren oder müssen nachgesät werden. In der Praxis sehe ich auf solchen Flächen öfter Aufwuchs, der von Rispe und Weißklee dominiert wird und nur relativ flach wurzelt und damit auch noch Wasser und Nährstoffe "verschenkt". Ein hoher Weißkleeanteil auf Weiden ist ein mögliches Zeichen für Überweidung. Der Weißklee kann sich wie die Rispe durch extrem flaches Wachstum dem Verbiss teilweise entziehen und hat so auf Dauerstandweiden einen Vorteil gegenüber anderen Arten. Er bindet durch die Knöllchenbakterien zwar Stickstoff, wird in dieser Funktion aber idR überbewertet, weil es diverse weitere stickstofffixierende Mikroben gibt. Es scheint sogar so zu sein, dass Archaeen die Stickstofffixierung im Boden mit weitem Abstand vor den Bakterien dominieren. In "Teaming with Mircrobes" z.B. schreibt Jeff Lowenfels, dass in Bodenproblen die DNA stickstofffixierender Archaeen 3000-fach häufiger sei als die von stickstofffixierenden Bakterien.

Ob und in welcher Form und welchem Umfang es in Mitteleuropa Offenlandschaften gäbe, ist eine weitgehend akademische. Die Menschen sind hier ja schon mit der zurückgehenden Eiszeit eingerückt und haben sämtliche evtl. noch eingewanderten Megaherbivoren ausgerottet. Wenn, müsste man ins Pleistozän zurück gehen und mit klimatisch ähnlichen Landschaften dieser Zeit vergleichen.
Aber auch das würde nichts daran ändern, dass wir heute Offenlandstandorte mit Grünland bewirtschaften. Und die Pflanzen die dort wachsen, sind fast alle in Koevolution mit ziehenden Herden entstanden, egal woher sie wann eingewandert sind.
Manfred
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Re: Ganzheitlich geplante Beweidung - Holistic Management

Beitrag von Manfred »

Der weitere Erläuterung: Ich habe gestern nicht annähernd weit genug ausgeholt.
Die Intervallbeweidung ist nicht Gleichzusetzen mit Ganzheitlich Geplanter Beweidung (Holistic Planned Grazing).
Sie ist nur ein Werkzeug aus dem großen Werkzeugkasten, aber ein sehr wichtiges, das häufig zur Anwendung kommt.

Man muss zunächst mal unterscheiden zwischen Gebieten mit sprödem Klima und gebieten mit ausgeglichener Feuchtigkeitsverteilung über das Jahr.
Den Begriff sprödes Klima hat Allan Savory geprägt. Er leitet sich davon ab, dass das organische Material (Gras, Laub etc.) dort in den Trockenphasen derart austrocknet, dass es fast wie Glas spröde zerbricht, wenn man es zwischen den Händen zerreibt.
Unter derart trockenen Bedingungen können Insekten, Pilze und Mikroben das Material nicht (oder nur sehr eingeschränkt) abbauen. Deshalb spielt der Abbau im Verdauungstrakt der Pflanzenfresser dort die wesentliche Rolle im Nährstoffkreislauf. Dazu kommen der Mulcheffekt durch den Tritt, der wesentlich ist für den Wasserkreislauf, und immer wieder das Aufbrechen der schnell verkrustenden Bodenoberfläche, ebenfalls durch den Tritt, die das tiefere Eindringen des Wassers und das Keimen neuer Pflanzen ermöglicht.
In unserem ausgeglichen Klima, wo Pilze, Insekten und Mikroben den Abbau des organischen vollständig übernehmen können, ist die Rolle der großen Pflanzenfresser für den Nährstoffkreislauf weniger bedeutend und wir sind deshalb deutlich flexibler in den Einsatzmöglichkeiten. Da kann dann auch die Kurzrasenweide das Mittel der Wahl sein, wenn sie im Rahmen der Gesamtheit der Anforderungen des Betriebes an seine Weideführung die beste Lösung ist.

Ich lese gerade "For the Love of Land - Global Case Studies of Grazing in Nature´s Image" von Jim Howell.
Jim ist selbst ein erfahrener Holistic-Management-Praktiker in den USA. Mit seiner Frau zusammen hat er ein Reisebüro gegründet, dass Bildungsreisen zu HM-Betrieben in Afrika, Australien und den Amerikas organisiert, aber alles in spröden Klimaten, weil er darauf spezialisiert ist. In dem Buch beschreibt er die Lösungen der Praktiker unter verschiedensten Voraussetzungen.
In Savannen mit saisonal hohen Niederschlägen z.B. herrschen in und nach der Regenphase feuchte Bedingungen und das Gras wächst wie blöd. 2 bis 3 Meter hoch und mit 1 cm dicken Stängeln. Früher bestand die Pflanzenfresser-Biomasse dieser Gebiete überwiegend aus Megaherbivoren wie Elefanten, Nashörnern und Flusspferden. Diese waren schwer und stark genug, einen solchen Aufwuchs zu fressen und niederzutrampeln.
Um den Effekt dieser Großtiere mit den leichten afrikanischen Rindern zu simulieren, arbeiten die HM-Praktiker mit extrem hohen Beweidungsdichten von typischer Weise 2000 bis 3000 Tieren pro ha. Diese Dichten werden entweder durch dein Einsatz mehrerer Hirten oder durch mobile Elektrozäune erreicht. Die Herde wird dann tagsüber ca. 1 x pro Stunde umgetrieben. Die Wirkung ist wie bei einer Dampfwalze. Was nicht gefressen wird, liegt als Mulch flach auf dem Boden.
Durch den Tritt und den Mulch ist der Boden optimal für die nächste Regenzeit vorbereitet.

In den trockenen Steppen, z.B. Hochlagen im Süden der USA, ist das Bild ein anderes. Die einzelnen Pflanzen sind eher klein und schwach und mit Abständen dazwischen. Sie können von kleineren Grasfressern gut verwertet werden und enthalten typischer Weise auch etwas mehr Eiweiß, selbst im trockenen Zustand. Die ursprüngliche Pflanzenfresser-Biomasse dieser Regionen bestand überwiegend aus leichteren Grasfressern (z.B. Antilopen), die in großen Herden zogen und oft nur alle paar Jahren an einen Ort zurück kamen, angepasst an das unregelmäßige Pflanzenwachstum, weil oft nur alle paar Jahre ausreichende Niederschläge fallen, um überhaupt einen Wachstumsschub auszulösen. Entsprechend werden dort auch die Rinder geführt. Die Priorität liegt darauf, die Bodenbedeckung zu verbessern, damit mehr Wasser die Zeit bekommt tief einzudringen statt von der Oberfläche und aus der obersten Bodenschicht gleich wieder zu verdunsten. Durch das Mulchen und die bessere Versickerung werden die wenigen Niederschläge für die Pflanzen besser nutzbar. Hier reicht eine Vegetationsperiode oft nicht aus, damit sich die Pflanzen nach dem Abweiden ausreichend erholen können. Je nach Wachstum warten die Praktiker teils mehrere Vegetationsperioden ab. Wird dann beweidet, selektieren die Tiere zuerst die jüngsten Blätter aus und trampeln die alte Plattmasse aus den vorherigen Wachstumsperioden nieder. So kann man gleichzeitig relativ hochwertiges Futter nutzen und einen guten Mulcheffekt erreichen. Die Tierdichte im Beweidungsintervall ist deutlich geringer und die Intervalle länger. Hier wird dann teils 2 bis 3 mal am Tag, teilweise nur alle paar Tage umgetrieben.

Auch für unser feuchtes Klima gibt es einiges an Wissen und Literatur. Auf Voisin selbst und die Neuseeländer habe ich ja schon verwiesen. An US-Literatur ist z.B. das Buch von Bill Murphy interessant, vor allem für eher intensiv wirtschaftende Betriebe mit Düngung, Milchviehhaltung etc.: "Greener Pastures on your Side of the Fence - better farming with voisin management intensive grazing".
Für Mutterkuh- und Schafhalter in D ist m.E. am interessantesten die Arbeit von Greg Judy. Es gibt diverse Vorträge von ihm auf Youtube. Sein Buch will ich als nächstes lesen: "Comeback Farms: Rejuvenating Soils, Pastures and Profits with Livestock Grazing Management"
schafbauer
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Re: Ganzheitlich geplante Beweidung - Holistic Management

Beitrag von schafbauer »

@manfred

ja erklär mal wie du es bei deinen flächen, mit welchen tieren, welcher besatzdichte ....usw machst. bitte auch die flächengröße angeben.

mir kommt so langsam vor dass ich das gleiche mach aber unbewusst u auf deutsch ohne so einem schönen wort
"Nur was man gerne macht, macht man auch gut." :schaf2:
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